Meinung Internet: Wer mehr zahlt, zählt mehr

Wenn man, wie am Dienstag die EU-Parlamentarier, etwas beschließt und das Gegenteil der ursprünglichen Absicht dabei herumkommt, kann das zwei Gründe haben. Entweder haben die Entscheider kein Interesse; oder sie sind bestens im Bilde, aber zünden eine Nebelkerze — um zu verschleiern, was sie im Sinn haben.

Foto: Judith Michaelis

Lustlosigkeit mag man einigen Abgeordneten unterstellen, politische Vollverschleierung aber ganz sicher jenen 410 Volksvertretern, die am Dienstag sehenden Auges die Netzneutralität beerdigt haben. Grundsätzlich gilt zwar das Prinzip, dass Netzbetreiber keine Dienste gegenüber anderen bevorzugen dürfen.

Ebenso grundsätzlich hat Straßburg aber Hintertüren dafür offengelassen — und zwar ziemlich weit. Künftig haben all jene Vorfahrt in Neuland, die dafür tiefer in die Tasche greifen. Dass Anbieter, etwa von TV- oder Musikstreamingdiensten sich das Geld für die digitale Überholspur bei ihren Kunden wiederholen werden, versteht sich von selbst. Das „begründete Verkehrsmanagement“, wie die Ungleichbehandlung von Daten im WWW von deren Befürwortern genannt wird, soll nur aus technischen, nicht aus kommerziellen, Gründen erfolgen. Im Zweifel entscheiden darüber aber die Netzbetreiber — das neue Gesetz bleibt vage.

Die nationalen Regulierungsbehörden, in Deutschland die Bundesnetzagentur, könnten zwar theoretisch eingreifen, rein praktisch dürfte das aber schwierig werden. Von wegen Netzneutralität! Wer mehr zahlt, surft schneller, länger, zählt mehr. Und die Provider kassieren nicht nur ab, sondern entscheiden indirekt per Geschwindigkeitsregulierung über die Attraktivität und damit auch die Nutzung von Inhalten im Internet.