Meinung Keine Pferde beim Zoch
Ein Pferd ist ein Fluchttier. Das war es vor Millionen Jahren, als es sich durch eine schnelle Flucht vor seinen Feinden in der Steppe schützte, und das ist es heute als domestiziertes Haustier immer noch.
Als solches reagiert es auf schnelle Bewegungen, laute Geräusche, unerwartete Berührungen. Ein Pferd versteht nicht, dass die jubelnde Menge neben und die laute Blaskapelle hinter ihm keine Bedrohung darstellen. Wie reagiert es? Mit Flucht.
Um das zu verhindern, gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine wäre eine Ausbildung, vergleichbar mit der eines Polizeipferdes. Das macht schrecksicher, kostet aber Zeit und Geld. Hinzu kommt, dass ein Polizist der Reiterstaffel täglich mit „seinem“ Pferd umgeht und ein erfahrener Reiter ist. In einer Notsituation weiß er, wie er sein Pferd schnell wieder unter Kontrolle hat.
Wer beim Karnevals- oder Schützenumzug mitreiten will, muss seinem Verein hingegen oft nur eine Handvoll Reitstunden nachweisen. Geht das Pferd durch, sitzt der Reiter als hilfloser Passagier obendrauf. Nicht umsonst sieht man in solchen Umzügen häufig Helfer, die die Pferde führen.
Die andere Möglichkeit, ein 600 Kilo-Tier unter Kontrolle zu halten, ist eine Sedierung. Beruhigungsmittel dämpfen Funktionen des zentralen Nervensystems, das Pferd wird in seiner Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt, die Muskulatur erschlafft. Das ist wirkungsvoll, weil das Pferd den Umzug nur in einem Dämmerzustand erlebt. Es erschreckt sich nicht — allerdings kann es sich bei einem Stolpern vielleicht auch nicht schnell genug fangen. Die Unfallgefahr bleibt. Der Einsatz von Medikamenten zu diesem Zweck ist überdies fragwürdig. Das hält viele Betriebe, die ihre Tiere für solche Veranstaltungen verleihen, nicht davon ab. Sedieren ist eben billiger und schneller als jahrelange Ausbildung. Die Sicherheit sollte jedoch schwerer wiegen, und ein Karnevalszug hat auch so genug zu bieten. Auf Pferde sollte dabei verzichtet werden — notfalls per Verbot.