Meinung Neuer Datenschutz zeigt, was in Europa falsch läuft

Man muss nur das Beispiel China nennen, und jeder begreift sofort, wie wichtig der Datenschutz ist. Wo der Staat praktisch jede Bewegung und fast jedes Denken erfassen kann, da sinkt die Freiheit auf null.

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Umgekehrt muss man nur das Wort EU-Datenschutzgrundverordnung sagen, und schon ist das eben gewonnene Verständnis wieder verschwunden. Dann ist von Bürokratiemonster die Rede.

Wer immer Daten sammelt und weitergibt, muss dafür zuvor die Zustimmung der Kunden einholen. Große und kleine Firmen, Selbstständige, Vereine, alle. Bei Verstößen werden saftige Strafen fällig. Europa setzt damit der Datensammelei als erster und einziger Kontinent Grenzen — und weltweit Maßstäbe. Die Brüsseler Verordnung ist zweifellos gut gemeint. Sie ist jedoch auch ein Lehrbeispiel für vieles, was in Europa falsch läuft.

Das erste: Es gibt keine europäische politische Öffentlichkeit, nur eine nationale. Vier Jahre lang wurde über das Vorhaben erbittert gestritten, Tausende von Änderungsanträgen wurden diskutiert und eingearbeitet. Aber in keinem nationalen Parlament, sondern in Brüssel. Von all diesem Ringen hat die meisten Deutschen so gut wie nichts erreicht. Für sie ist die Sache wie ein Überraschungs-Ei mit bürokratischem Inhalt. Diesen Mangel hätten sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung mit intensiven Informationskampagnen beheben müssen. Sie sind ausgeblieben.

(Werner Kolhoff. Foto: krohnfoto.de)

Vor allem die kleinen Unternehmen wirken überrascht. Dabei gilt das Gesetz seit zwei Jahren, es wird morgen nur scharf gestellt. Hier zeigt sich ein zweites Phänomen: Verdrängung. Nun ist überall Hektik ausgebrochen, es herrschen Überforderung und Verunsicherung. Solche Zustände sind ein gefundenes Fressen für Abmahnanwälte, die sich bald über alle hermachen werden, die die komplizierte Verordnung nicht gleich richtig umgesetzt haben. Das hätte ebenfalls Vorsorge in den Nationalstaaten erfordert. Auch die Wirtschaftsverbände und -kammern hätten ihre Mitglieder früher warnen müssen, statt jetzt Brüssel zu beschimpfen.

Aber wer auch immer schuld ist an der Lage: Die Behörden sollten bei Vorstößen, sofern sie nicht von Großkonzernen erfolgen, für eine längere Übergangszeit noch kulant sein. Eine harte Datenschutzverordnung ist gut. Noch besser ist eine harte Verordnung, die auch verstanden und von allen akzeptiert wird.