Meinung Schwarz-rote Endzeitstimmung
Um die große Koalition bleibt es schlecht bestellt.
Mag sein, dass man beim Spitzentreffen im Kanzleramt an der einen oder anderen Stelle inhaltlich etwas vorangekommen ist. Und es mag auch sein, dass diese Treffen zwischen den drei Parteivorsitzenden für das großkoalitionäre Binnenverhältnis notwendig sind. Aber man darf sich zugleich nichts in die Tasche lügen: Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl herrscht in der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD Endzeitstimmung. Viele Konflikte sind nicht mehr zu kitten, weil sie die persönliche Ebene erreicht haben. Fatal. Denn gut fürs Land ist das keineswegs.
Handlungsfähigkeit wollten die Chefs am Sonntag unter Beweis stellen. Besonderes Lob verdienen sie dafür nicht, schließlich sind sie ja genau dafür gewählt worden. Der Streit über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin liegt jedoch wie Mehltau über dieser Koalition, wie eine Eisenkugel hängt er an den Füßen der Protagonisten.
Die Frage ist in der Tat, was die Parteien der Koalition so geschwächt und die AfD so stark gemacht hat. Allein der Kurs des "freundlichen Gesichtes" in der Flüchtlingsfrage, wie die Kanzlerin es mal formuliert hat, oder aber vor allem die massiven Dauerangriffe gegen Merkel aus Bayern? Das kleine Einmaleins der Politik besagt, dass Streit und Attacken fast immer dem schaden, der streitet und attackiert. Und wenn man dann auch noch versucht, die Rechtspopulisten rechts zu überholen, entscheiden sich die Wähler lieber für das Original. Siehe Mecklenburg-Vorpommern. Wobei man immer auch hinzufügen muss, dass Deutschland noch lange nicht AfD-Land ist, obwohl man den Eindruck in den letzten Wochen haben konnte.
Das sind die Gründe, warum es um die Koalition so schlecht bestellt ist - trotz einer durchaus erfolgreichen Bilanz der letzten drei Jahre. Bis München scheint sich das aber noch nicht herumgesprochen zu haben, oder es wird dort konsequent ignoriert aus Angst um die eigene Macht. Weshalb das Sonntagstreffen der drei Parteichefs im Kanzleramt auch keine wesentliche Abhilfe erbracht hat.
Dabei ist es freilich nicht so, dass die Kanzlerin keine Fehler gemacht hätte. Sie hat Stimmungen konsequent ignoriert, Ängste weggewischt, die Menschen nicht mitgenommen bei ihrer Politik. Auch wenn Merkel im Laufe der Monate eindeutig Kurskorrekturen in der Asylpolitik vorgenommen hat, so ist sie doch Gefangene ihres "Wir schaffen das" geblieben. Das hat den Verdruss der Menschen deutlich verstärkt.
Viele stellen sich deshalb inzwischen die Frage, was zu Merkel noch durchdringt und was nicht. Sie scheint den Zenit ihrer Kanzlerschaft überschritten zu haben. Wolfgang Schäuble glaubt dass offenbar auch. So konnte man zumindest seine Rede im Bundestag am vergangenen Dienstag verstehen. Und wenn dem so ist, werden die nächsten Wochen für die Kanzlerin noch heikler werden. Schäuble ist eine Macht.