Steinbrück und Merkel: Der Agile und die Stoische
Beim Rededuell am Donnerstag konnte Peer Steinbrück überraschend punkten.
Wer geglaubt hatte, Peer Steinbrück hätte den Kampf ums Kanzleramt schon aufgegeben, musste sich am Donnerstag eines Besseren belehren lassen. Denn auch wenn die Umfragen für den SPD-Spitzenkandidaten gegenüber Kanzlerin Angela Merkel verheerend ausfallen, lassen die Prognosen für die Parteien selbst so gut wie alles offen. Und nur auf die kommt es an.
Warum sollte Steinbrück also jetzt schon die Flinte ins Korn werfen, wie es Viele nach seinem oft als unglücklich — von anderen auch als sehr ehrlich — empfundenen Talkauftritt mit seiner Ehefrau vermutet hatten.
Am Donnerstag, beim letzten großen Schlagabtausch im Bundestag vor der Wahl, konnte Steinbrück punkten und zeigte bei diesem inoffiziellen Wahlkampf-Auftakt, dass politische Auseinandersetzung ganz schön lebhaft und unterhaltsam sein kann.
Er suchte geschickt Schwachstellen der Regierung bei populären Themen wie Arbeitslosigkeit, speziell auch bei Jugendlichen, die er in engem Zusammenhang mit der Merkel’schen Sparpolitik in Europa setzte.
Gleichzeitig warf er ihr fürs Inland das Gegenteil von Sparen vor: 100 Milliarden neue Schulden plus Wahlversprechen, deren Umsetzung noch mal 50 Milliarden kosten würden. Steinbrück hat begriffen, dass sogenannte Wahlgeschenke kaum jemand noch jubelnd aufnimmt. Die Menschen wissen: Das kostet Geld, und nach der Wahl sieht es sowieso anders aus.
Punkten konnte Steinbrück sogar mir ungewohnter Ironie, als er eine Anekdote aus der Adenauer-Ära aufwärmte. Mit dem — nicht existierenden Wort — „reziplikativ“ als Charakterisierung für Merkels vorherige Regierungserklärung erzeugte er gewollt Aufmerksamkeit.
Und die Kanzlerin? Die gab sich stoisch. Falls der plötzlich agile Mitbewerber sie irritiert haben sollte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Sie blieb präsidial, zeigte, dass ihr etwa die Idee eines europäischen Solidaritätsfonds wichtiger als ein Wahlkampfscharmützel ist. Aufgrund ihrer riesigen Popularität ist das für sie der richtige Weg.
Wenn Steinbrück seine Chance nutzen will, bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als so wie am Donnerstag weiter anzugreifen und an Charisma und Überzeugungskraft zuzulegen. Trotzdem wird er es so schwer wie kaum ein Herausforderer vor ihm haben.