Gemeinschaftsgrundschule Wickrath: Eltern fahren Kinder bis ans Schultor. Trotz Gegenkampagnen: Elterntaxis auf dem Vormarsch
Wickrath. · Die Sicherheit der eigenen Kinder geht auf Kosten der anderen.
Morgens viertel vor acht vor der Gemeinschaftsgrundschule Wickrath: Es regnet, und es ist dunkel. Autos fahren vor, Mütter oder Väter steigen aus, helfen ihren Kindern den Schulranzen aufzusetzen, bringen sie noch über die Straße auf das Schulgelände. Andere Wagen fahren schon wieder an, wenden, sind wieder weg. Zwischen den haltenden und fahrenden Autos überqueren andere Grundschüler die schmale Kreuzherrenstraße, treten plötzlich aus dem Dunkel ins Licht der Scheinwerfer. „Seit zehn Jahren erlebe ich morgens dieses Chaos vor der Schule“, sagt Ada Herx, deren zweite Tochter momentan in die Wickrather Grundschule geht, während die Jüngste noch die nahegelegenen Kita besucht. „Wenn kein Polizist vor Ort ist, wird auch im absoluten Halteverbot geparkt. Die Kinder laufen dann teilweise um die Autos herum auf die Straße.“ Um acht ist der Spuk schlagartig vorbei – Ruhe tritt ein.
Eltern blockieren oft den Gehweg oder das Schultor mit ihren Autos
Auch mittags ist die Situation vor der Schule unübersichtlich: Eltern blockieren den Gehweg direkt an der Schule oder gar das Schultor, während sie auf ihre Kinder warten. Die anderen Kinder weichen schon mal auf die Straße aus. Das ist gefährlich. Die Polizei kennt die Lage, der Bezirksbeamte Ralf Walter ist so weit wie möglich morgens und mittags vor Ort, aber er kann nicht an zwei Stellen gleichzeitig sein. Steht er an der nahegelegenen Ampel hinter dem Bahnübergang, sieht er nicht, was vor der Schule passiert und umgekehrt. „Aber in Wickrath gibt es nur die eine Grundschule, so dass der Kollege sehr häufig vor Ort ist“, sagt Erwin Hanschmann, Präventionsexperte bei der Polizei.
Dennoch empfinden viele Eltern insbesondere von Erstklässlern die Situation als bedrohlich. Aber was tun? Die Gefahr geht schließlich von anderen Eltern aus. „Ich habe einmal jemanden angesprochen, der im absoluten Halteverbot stand“, erzählt Ada Herx. „Die Reaktion war so aggressiv, dass ich das nicht wieder getan habe.“
Von den 328 Kindern, die die Grundschule besuchen, wird etwa ein Drittel mit dem Auto gebracht. „Die Eltern haben sicher unterschiedliche Gründe, um ihre Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen“, sagt der Bezirksbeamte. Ein entfernter Wohnort oder Zeitdruck zum Beispiel. Bei einigen ist aber auch Bequemlichkeit dabei, bei anderen der Wunsch, das eigene Kind sicher in der Schule zu wissen. „Und was ist mit den anderen Kindern?“ fragt Hanschmann. Deutlich weniger Verkehr vor der Schule wäre wünschenswert, meint auch die Polizei. Zu Beginn jedes neuen Schuljahres wird an der Schule der Elternbrief des Bezirksbeamten verteilt: Er weist auf Gefahrenquellen hin und benennt korrektes Verhalten. Und er appelliert: „Gehen Sie mit Ihren und den Nachbarskindern zu Fuß zur Schule.“ Aber hier prallen Wunsch und Wirklichkeit aufeinander: Nicht einmal der Walking Bus, bei dem Eltern abwechselnd Kindergruppen zur Schule begleiten, funktioniert. Es mangelt an Eltern, die mitmachen. „Wir versuchen, das jetzt privat in einer kleinen Gruppe zu organisieren“, erklärt Sara Tückmantel, Mutter eines Erstkläßlers. Auch die „Goldie-Go“-Aktion, die zum Zu-Fuß-Gehen oder wenigstens zum Absetzen der Kinder an einem nahegelegenen Parkplatz motivieren soll, ist in Wickrath gescheitert. „Die Verkehrsmoral hat in den vergangenen Jahren ab-, der Egoismus zugenommen“, sagt Walter. „Und die Eltern sehen Verkehrserziehung oft nicht mehr als ihre Aufgabe an.“ Das sollen die Polizei, Lehrer oder Erzieher übernehmen. Ada Herx und ihre Mitstreiterinnen haben Vorschläge zur Lösung der Situation: ein Zebrastreifen oder gar eine Sperrung der Straße. Aber die Polizeibeamten schütteln die Köpfe – das gehe rechtlich nicht. Also bleibt weiter nur der Appell an die Eltern. „Wir müssen an die Köpfe der Eltern ran kommen“, sagt Hanschmann.