Gastbeitrag Geschichtswerkstatt Mönchengladbach „Wohlstand“ als größtes Problem
Mönchengladbach · In der Geschichtswerkstatt ist ein neues Buch zur Textil-Historie Mönchengladbachs erschienen. Unser Gast-Autor wirft einen Blick zurück und nach vorn. Er findet, Mönchengladbachs Besonderheit habe Potenzial für eine attraktive Stadtmarke.
Auch Städte stehen seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend unter Transformationsdruck. Ausgelöst durch die sogenannten Megatrends-Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel sowie demografische Entwicklung.
Mönchengladbach ist besonders betroffen, weil bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts das wichtigste wirtschaftliche Standbein der Stadt, die Textil- und Bekleidungsindustrie, begann, die Herstellung im Rahmen eines globalisierten Produktionsprozesses zu organisieren und in Billiglohnländer auszulagern.
Die Folge: Laut Zukunftsatlas des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos steht Mönchengladbach (Stan 2019) auf Platz 249 und damit im unteren Mittelfeld aller untersuchten Städte und Kreise. Das größte Problem der Stadt ist laut dieser Studie der Wohlstand. Im Ranking dieses Parameters gehört Mönchengladbach zu den 25 schwächsten Städten in Deutschland.
Wenn Wohlstand oder fehlender Wohlstand das Problem ist, ist der allgemeine Denkreflex in deutschen Kommunen üblicherweise folgender: Wenn Geld fehlt, geht es vor allem darum, Geld zu beschaffen und das bedeutet, zunächst alles zu tun, um Investitionen zu fördern und Wachstum zu generieren. Infolgedessen greifen Kommunen auf klassische ökonomische Management-Praktiken zurück, die sich bereits in Unternehmen bewährt haben, wie zum Beispiel: Prozessoptimierung, strategische Handlungsfelder, Masterpläne und kommunale Dienstleistungen beziehungsweise Kapitalanlagen (Assets) als anbietbare Ware sowie (Stadt-)Marketing, um diese Ware zu vermarkten.
Daraus ergeben sich zwei neue Probleme:
1. Weil die meisten Städte auf sehr ähnlichen Wegen unterwegs sind und ihre Angebote auf die gleiche Art und Weise vermarkten, übersteigt das Angebot die Nachfrage. Die Folge für die Städte ist eine schlechte Verhandlungsposition mit potenziellen Investoren. Die Konsequenz für die Kommunen: Sie erzielen wenig Ertrag und Vorteile oder bleiben nicht selten, vor allem die weniger attraktiven Städte, auf ihrem Angebot sitzen. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Städte im Weltmaßstab in dieser Hinsicht unterwegs sind und sich das überall ähnlich abspielt.
2. Das Gewinnstreben marktorientierter Investoren macht die diesen überlassenen kommunalen Dienstleistungen sowie Assets zum Beispiel auf dem Feld der zurzeit boomenden hochpreisigen Wohnungsbauwirtschaft für die Bürger teurer. Das sorgt für soziale Schieflagen in der Stadt, Unzufriedenheit und führt im schlimmsten Fall zu Konflikten, die allen Beteiligten nur schaden.
Vom „Konzern Stadt“
zu sprechen, ist Unsinn
Wenn man der oben genannten Entwicklung etwas entgegensetzen will, bedeutet das, Standortpolitik muss wieder Kommunalpolitik werden. Städte können nicht nach ökonomischem Vorbild gemanaged werden, denn das grundlegende ökonomische Prinzip ist Wettbewerb und in der Wirtschaft werden die Entscheider auch nicht von den Mitarbeitenden gewählt. Vom „Konzern Stadt“ zu sprechen, ist daher Unsinn und untergräbt den Grundsatz der demokratisch gestalteten kommunalen Selbstverwaltung.
Im Gegensatz dazu ist das grundlegende kommunale Prinzip Gemeinsinn. Mönchengladbach ist die historische Wiege einer erfolgreichen Idee, wie diese widersprüchlichen Prinzipien in Einklang gebracht werden können. Ursprung dieser Idee war der „Volksverein für das katholische Deutschland“, der 1890 in Mönchengladbach gegründet wurde und hier seine Reichszentrale hatte. Er funktionierte einerseits wie ein Thinktank und war andererseits eine Bildungs- und Mobilisierungsorganisation.
Man wollte die Menschen fähig machen, sich verantwortlich am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen und entwickelte sozialpolitische Konzepte, die im Hier und Jetzt praxistauglich sein sollten. Diese kulturhistorische Besonderheit kann heute genutzt werden, um Mönchengladbach zu einer besonderen Stadt und damit zu einer attraktiven Stadtmarke zu machen.
Der komplette Aufsatz beschreibt, wie diese kulturhistorische Besonderheit genutzt werden kann. Nachzulesen ist er komplett in: Boland, K.; Schürings, H. (Hg.): TEXTIL INDUSTRIE KULTUR in Mönchengladbach, B. Kühlen Verlag Mönchengladbach, ISBN: 978-3-87448-544-9, 19,80 Euro