Fragen und Antworten Was wir zur Abi-Panne in NRW wissen
Düsseldorf · Schüler, Eltern, Lehrer und Opposition sind sauer: Die Abi-Panne in NRW sorgt für Aufsehen. Doch was ist eigentlich passiert? Und warum ist das ein Problem für Zehntausende Schülerinnen und Schüler? Fragen und Antworten.
Schüler, Eltern, Lehrer und Opposition sind sauer: Am Mittwoch sollten Zehntausende Abiturientinnen und Abiturientinnen eigentlich ihre Prüfungen ablegen. Doch einige Stunden vorher, am Vorabend, kommt die Absage aus dem Ministerium: Viele Schulen können die Klausuren nicht herunterladen. Was man über die Verschiebung und die Abi-Panne wissen muss.
Wer ist von der Panne betroffen?
Es geht um Klausuren in den Fächern Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik. Laut Schulministerium sind rund 30 000 der landesweit 72 000 Abiturientinnen und Abiturienten an etwa 900 Schulen davon betroffen.
Nach der Technik-Panne zum geplanten Start der Abiturprüfungen in NRW am Mittwoch kann der nächste Prüfungstermin in weiteren Fächern am Donnerstag eingehalten werden. Der Download der schriftlichen Abituraufgaben für die Prüfungen am Donnerstag (20. April) „verläuft reibungslos“, teilte das Schulministerium am Mittwoch auf Twitter mit. Die Prüfungen könnten „wie geplant stattfinden“.
Am Donnerstag stehen laut Ministerium schriftliche Abi-Prüfungen in Kunst, Musik, Geografie, Erziehungswissenschaft, Geschichte, Geschichte/Sozialwissenschaften, Philosophie, Psychologie, Recht, Sozialwissenschaften, Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Religion und Sport an.
Was bedeutet die Panne für die betroffenen Prüflinge?
Sie müssen die Prüfungen am Freitag statt am Mittwoch ablegen.
Warum ist die Verschiebung ein Problem?
Die Landesschülervertretung (LSV) äußerte sich genervt. „Die Stimmung ist natürlich wahnsinnig schlecht“, sagte Theo Blaesse aus dem Landesvorstand. Der Ausweichtermin ist aus Sicht der LSV eine Katastrophe, da Freitag das muslimische Zuckerfest beginnt und ein Bahnstreik angekündigt ist.
Mit der Bahn kämen allerdings nicht viele Schüler, hielt Feller dagegen. Grundsätzlich seien die Schüler in der Verantwortung, ihren Weg zur Schule zu organisieren, wenn Streiks angekündigt seien. Wegen des islamischen Zuckerfests können muslimische Schüler die auf diesen Freitag verschobenen Abiturprüfungen auch erst im Mai schreiben. „Wer wegen des Festes nicht an den Prüfungen teilnehmen möchte, kann nach vorheriger Abstimmung mit der Schulleitung am 9. Mai nachschreiben“, teilte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Mittwoch mit. Auch der Genehmigung von Sonderurlaub für Lehrkräfte muslimischen Glaubens stehe nichts im Wege, sofern die Durchführung der Abiturprüfungen sichergestellt sei, schrieb das Ministerium.
„Die Stimmung ist natürlich wahnsinnig schlecht“, sagte Theo Blaesse aus dem Landesvorstand der Landesschüler*innenvertretung (LSV) NRW mit Blick auf die Betroffenen. Man werde im Schulsystem de facto dazu erzogen, auf den Punkt zu lernen. Alles sei auf einen Prüfungstag ausgerichtet, der schon lange feststehe. Die Verschiebung sei daher für viele eine mentale Belastung. „Ich schätze, dass man das hinterher auch an den Ergebnissen im Vergleich zu den Vorjahren sehen kann“, sagte er.
Hinzu kommt, dass die Betroffenen erst am Abend vor den geplanten Klausuren von der Verschiebung erfuhren. Das sei „ein starkes Stück“, kritisierte die Landeselternkonferenz NRW. Für Blaesse vom LSV wäre am Mittwoch die Physikklausur angestanden. Sein Fall steht wohl stellvertretend für viele Prüflinge: „Gut geschlafen hab ich diese Nacht nicht“, sagte er.
Herrschen am Freitag die gleichen Voraussetzungen wie am Mittwoch?
Phil Robin Weber aus dem Landesvorstand der LSV bezeichnete den Ausweichtermin als „Katastrophe“. Für den Tag sind bundesweit Bahnstreiks angekündigt, außerdem beginnt an dem Tag das muslimische Zuckerfest. Wer an den Klausuren wegen des Zuckerfestes nicht teilnehmen könne, könne nachschreiben, sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU).
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) rechnet am Freitag wegen des Warnstreiks mit „erheblichen Einschränkungen“ im Fern- und Regionalverkehr. Dass Abiturienten damit juristisch argumentieren können, hält Christian Birnbaum, Anwalt und Experte für Schulrecht, aber für ausgeschlossen: „Ich weiß doch heute schon, dass am Freitag dieser Streik sein wird - dann muss ich mich darauf einstellen. Streik gilt in diesem Sinne als hinzunehmen.“
Ist die Verschiebung auf Freitag rechtssicher?
Möglichen Hoffnungen des ein oder anderen Prüflings, ein schlechtes Ergebnis wegen der Verschiebung hinterher juristisch anzufechten, erteilt Schulrechtsexperte Birnbaum eine Absage. Mit einer Argumentation, man habe am Freitag das Leistungsmaximum hinter sich gelassen, das man am Mittwoch noch erreicht hätte, wird demnach niemand durchkommen. „Jeden, der zu mir ins Büro kommen würde mit dem Argument, würde ich wieder nach Hause schicken“, sagte er.
Was fordern die Schülerinnen und Schüler?
Zu einer möglichen Forderung etwa nach einem Punkteausgleich hat der LSV laut Blaesse aus dem Landesvorstand noch keine klare Position. Man will demnach abwarten, wie stark der Leistungsabfall tatsächlich ist. Die Vertretung der Schülerinnen und Schüler kritisierte weiter den „Privatisierungswahn“ in der Landesregierung. Das Ministerium hätte rechtzeitig eine eigene Plattform etablieren und sich nicht auf externe Dienstleister verlassen müssen, so die Forderung. Außerdem wurde das zentralisierte Abitur kritisiert.
Werden für den Ausweichtermin andere Aufgaben erstellt?
Nein. Schulministerin Feller sagte, ihr Haus sehe derzeit keinen Anlass, neue Aufgaben zu stellen. Die rund 300 Schulen, bei denen das Herunterladen klappte, wurden demnach aufgefordert, die Klausuren unter Verschluss zu halten. Schulrechtsexperte Birnbaum hält ein „Datenleak“ dagegen für möglich: „Ich würde mich nicht wundern, wenn jetzt die Aufgaben Verbreitung finden“, sagte er. Sollten viele Prüflinge die Aufgaben vorher kennen und der Bewertungsmaßstab somit verfälscht werden, könnte die Sache demnach doch ein juristisches Nachspiel haben. „Aus Sicht der Schulministerin ist das jetzt nicht unheikel“, sagte er.
Wie kam es zu der Panne?
Der landesweite Download für die Schulen war am Dienstag vom Ministerium um 12.00 Uhr geöffnet worden. Viele Schulen konnten die Klausuren aber nicht oder nur teilweise herunterladen. Der Dienstleister zur Übermittlung der Aufgaben habe einen zweiten Server gehabt, sagte Feller am Mittwoch. Auch diese B-Lösung habe aber nicht funktioniert.
Die folgenschweren Probleme beim Download der Abiturprüfungen hängen möglicherweise mit einer erstmals genutzten IT-Sicherheitstechnik zusammen. „Eine Ursache für die Probleme könnte mit der neu eingeführten Zwei-Faktoren-Authentifizierung zusammenhängen, auch wenn sämtliche Tests im Vorfeld hierzu positiv verlaufen sind“, teilte das Schulministerium am Mittwochabend mit. Die zusätzliche Sicherheitsstufe sei deshalb jetzt wieder deaktiviert worden. Die Aufgaben für die nächsten Abiturprüfungen könnten sich die Schulen nun wieder mit der in den vergangenen Jahren angewendeten Technik herunterladen.
Bei der Zwei-Faktor-Authentifizierung, die Kunden etwa auch von Bankgeschäften kennen, müssen Anwender auf zwei verschiedene Arten ihre Berechtigung belegen. Das macht es Betrügern deutlich schwieriger, einen Zugang zu knacken. Am Dienstagabend war es für die meisten Schulen in NRW nicht möglich gewesen, die Abi-Klausuren für die Prüfungen am Mittwoch vom Server herunterzuladen
Der vom NRW-Schulministerium beauftragte IT-Dienstleister hatte die Probleme beim Versand von Abituraufgaben bedauert. Im Zuge der Fehlersuche habe sich herausgestellt, dass für einen Teil der Schulen ein Download der Prüfungen nicht möglich war. Das bedauere man sehr, besonders mit Blick auf die betroffenen Schüler und Schülerinnen sowie Lehrerinnen und Lehrer, teilte Rainer Lülsdorf, Geschäftsführer der Arnsberger Firma Gonicus, am Mittwoch mit. Es habe vorher mehrere Tests gegeben, bei denen alles funktioniert habe.
Die Infrastruktur zum Up- und Download der aktuellen Abiturprüfungen sei im Rahmen eines umfangreichen Funktionstests mit dem Ministerium sowie rund 400 Schulen geprüft worden, schrieb Lülsdorf. Diese Tests seien ohne Probleme verlaufen - genauso wie ein weiterer interner Test vergangene Woche.