Düsseldorfer Ballett Wer dabei sein will, muss tanzen

Düsseldorf · Einmal mit den Profis auf der Bühne stehen: Das Ballett am Rhein hat mit „Inside Out“ eine Vorstellung konzipiert, bei der das Publikum mitmachen kann und soll. Damit das funktioniert, gibt es einen Trick.

Nicht nur Musik kommt aus den Kopfhörern, sondern auch eine Anleitung zur Bewegung.

Foto: Ballett am Rhein/Daniel Senzek

Wer seine Kopfhörer auszieht, zerstört die Illusion. Dann hört man nur noch glückliches Keuchen und das Quietschen von Füßen auf dem Tanzboden. Das Prinzip „Silent Disco“ ist im kommerziellen Eventbereich längst eine etablierte Größe. Die Idee: Statt zum Sound dröhnender Boxen tanzt man mit Köpfhörern im Club. Dabei kann jeder seine persönliche Lieblingslautstärke einstellen, und die Nachbarn beschweren sich nicht. Dem Spaß beim Tanzen tut das keinen Abbruch. Das Ballett am Rhein hat sich für seine neue Produktion „Inside Out“ von dieser Idee inspirieren lassen, um Zuschauern eine Performance zu bieten, die wirklich interaktiv ist.

Es ist kein Geheimnis, dass Opernhäuser in Deutschland sich seit Jahren den Kopf darüber zerbrechen, wie man neues Publikum in die Häuser locken kann: Jüngere, Techno-Fans, Geflüchtete, Menschen, die mit Oper nichts am Hut haben. Oft nimmt man sich dann vor, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das irgendwie partizipativ sein soll. Wenn es damit getan ist, dass das Publikum statt im Zuschauerraum auf der Bühne sitzt und sich ansonsten nichts ändert, ist die Wirkung überschaubar.

Das Düsseldorfer Ballett macht es anders. „Inside Out“ ist tatsächlich partizipativ: Nicht mitmachen ist unmöglich. Es gibt bei der Vorstellung nämlich kein Publikum. Wer dabei sein will, muss tanzen.

Über die Kopfhörer wird Musik abgespielt: sanfte Klaviermusik, treibender Jazz, Popsongs, im fließenden Wechsel. Dazu gibt es Bewegungsanleitungen auf die Ohren. Welche, die leicht auszuführen sind, wie „Dreh den Kopf nach links“, andere, die anstrengender sind, bei denen man sich zu Boden fließen lässt und wieder aufspringt. Manche regen auch die Kreativität an: „Du rennst zum Bus, aber in Zeitlupe“ oder „Fixiere einen Stuhl im Raum und bewege dich dahin, aber jedes Mal auf eine andere Art“.

Sechs der 24 Teilnehmer sind professionelle Tänzer

Was aufgeschrieben vielleicht ein bisschen technisch klingt, ist in Wahrheit eine Erfahrung, die euphorisch macht. Es ist kaum zu glauben, wie schnell eine Gruppe sich synchronisieren kann, die visuell aufeinander achtet und auditiv eine klare Anweisung bekommt. 24 Menschen können gleichzeitig an „Inside Out“ teilnehmen, sechs davon sind professionelle Tänzerinnen und Tänzer, die im Vorfeld mit Michael Foster an der Choreografie gearbeitet haben. Er ist der Kopf hinter „Inside Out“ und Leiter der Abteilung Tanzvermittlung beim Ballett am Rhein. „Ich habe versucht, eine Balance beim Ablauf zu finden“, erzählt er. „Am Anfang macht man sich warm und wird mit seinem Körper vertraut. Aber es soll sich nicht nach Pädagogik anfühlen, sondern wie eine Choreografie.“

Die Profis tanzen in der Gruppe mit, aber jeder von ihnen hat auch ein Solo oder ein Duo, in das organisch übergeleitet wird. Mal stellt die Stimme im Kopfhörer die jungen Tänzer ins Rampenlicht, mal passiert das von ganz alleine.

Man teilt sich also mit echten Tänzern eine Bühne und bewegt sich mit ihnen. Das macht irgendwie stolz. Der Tanz ist eine besondere Kunstform. Er vereinnahmt den Ausführenden meist um ein Vielfaches mehr als den Betrachtenden. Trotzdem findet er oft im gleichen Kontext statt: Tänzer hier, Publikum da. „In den letzten Jahren habe ich mich darauf fokussiert, Tanz anders erlebbar zu machen“, sagt Foster. „Ich habe mich gefragt, wie ein blinder Mensch eine Choreografie lernen würde. Das funktioniert über Beschreibungen. So haben wir es auch bei diesem Projekt gemacht.“ Weil er selbst viele Jahre lang getanzt hat, falle es ihm schwer, Performances aus dem Publikum heraus anzuschauen. Der Drang, es selbst zu machen, sei immer groß.

Wer Angst hat, dass ihm „Inside Out“ zu anstrengend werden könnte, sei unbesorgt. Foster und sein Team haben darauf geachtet, dass jeder sich willkommen fühlt. Tanzvorkenntnisse sind nicht erforderlich, ein Spagat wird niemandem abverlangt. Dafür macht „Inside Out“ wahnsinnig viel Spaß. Bislang ist noch eine weitere Vorstellung geplant: am Samstag, 25. Mai, um 19 Uhr. Die Vorstellung dauert 45 Minuten. Bequeme Kleidung wird empfohlen.