Bäckerei Kretzer: Der Übergang zum Ideenbäcker
Richard Kretzer führt den Betrieb in der dritten Generation — obwohl er das Backen nie gelernt hat.
Burscheid. Der Generationenwechsel ist nicht nur ein optischer. Sicher, im Gegensatz zum Erscheinungsbild seines Vaters Lothar (66) würde bei Richard Kretzers Statur wohl niemandem der Begriff Bilderbuchbäcker einfallen. Muss aber auch nicht, denn er ist ja keiner. Seit der 25-Jährige zum Jahreswechsel den Familienbetrieb in der dritten Generation übernommen hat, herrscht dort ein anderer Blickwinkel: „Papa hat das Unternehmen aus der Backstube betrachtet. Ich betrachte es aus Kundensicht.“
Im Gegensatz zu seiner älteren Schwester hat Richard Kretzer das Handwerk nie gelernt. Und im Gegensatz zu seinem Vater wurde er nie gezwungen, im elterlichen Betrieb mit anzupacken. Und trotzdem ist es natürlich schamlos untertrieben, wenn Kretzer lachend sagt: „Vom Backen habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, was gut ist und was schlecht.“
Man muss dem Betriebswirtschaftsstudenten nur einmal durch die verwinkelte Backstube an der Kölner Straße folgen, um zu merken, dass ihm der Produktionsprozess und die Funktionsweise der Maschinen bis ins Detail vertraut sind. Schließlich ist es auch seinen Investitionen in eine Brötchenanlage und einen Gärunterbrecher zu verdanken, dass der Umsatz im vergangenen Jahr um 37 Prozent und das Betriebsergebnis noch um ein Vielfaches mehr gesteigert wurde.
„Den klassischen Generationenkonflikt kennen wir Gott sei Dank nicht“, sagt Ketzer junior über den Betriebsübergang. Sein Vater sei immer froh gewesen, wenn er sich um das Betriebswirtschaftliche gekümmert habe. Und dass die Mannschaft von inzwischen 78 Mitarbeitern an acht Standorten sich jetzt von einem 25-Jährigen sagen lassen muss, wo es lang geht, „hat bisher ganz gut geklappt. Einen anderen als mich kriegen sie auch nicht.“
Verlässliche und qualifizierte Mitarbeiter, keine große Fluktuation und die Konzentration auf den „Premiumsektor“, wie Kretzer sich ausdrückt, sind für ihn die Garanten dafür, dass der Familienbetrieb auch in Zeiten großer Ketten, zahlreicher Tiefkühlangebote und gnadenloser Dumpingpreise eine Zukunft hat.
Expansion ist aus seiner Sicht nicht alles. „Wenn ein guter Standort käme, würden wir zugreifen. Aber bei uns ist es ja nicht so, dass wir wahllos Filialen eröffnen müssen, weil wir eine Riesenproduktionshalle haben, die sonst nicht ausgelastet wäre.“
Sich selbst versteht Kretzer als „Ideenbäcker“, immer auf der Suche nach neuen Produkten, Verpackungen, Designelementen. Nicht zwangsläufig muss der Blick dabei allerdings nach vorne gerichtet sein. Dass der Zwieback noch immer nach Opas Rezept hergestellt wird, ist für ihn ein Qualitätszeichen. Und den kunstvollen alten Namensschriftzug hat er, grafisch überarbeitet, vor zwei Jahren auch reaktiviert. „Darauf bin ich stolz.“
Im nächsten Monat will Kretzer Coca Cola & Co. aus den Filialen verbannen. Stattdessen hat er nach langer Suche eine Limonaden-Manufaktur in Berlin ausfindig gemacht, die ihm zwei Bioprodukte liefert. Das bäckereieigene Etikett dafür ist schon in Arbeit.