Interview „Bei vielen geht es um die Existenz“

Norbert Oberhaus ist Geschäftsführer der c/o pop. Im Interview spricht er über die Folgen der Corona-Krise für die Musikszene.

Auch Norbert Oberhaus, Geschäftsführer der c/o pop, vermeidet derzeit jegliche soziale Kontakte.

Foto: Martina Goyert

Wie erleben Sie zurzeit die Corona-Krise in Köln?

Norbert Oberhaus: Wenn ich hier in Ehrenfeld aus dem Fenster gucke, sind Clubs wie Helios 37 oder die Live Music Hall nicht weit. Normalerweise versammeln sich da schon am Nachmittag viele Menschen. Jetzt ist alles ruhig und leer – fast schon gespenstisch. Die Zeit steht still – das gilt besonders für unsere Branche, die mit als erste von der Krise getroffen wurde, als Veranstaltungen abgesagt und Clubs geschlossen worden sind.

Was sind die Folgen für die Musikszene in Köln?

Oberhaus: Auf der Ebene der Musiker geht es jetzt um die Existenz. Das Einkommen bricht weg, da es keine Auftrittsmöglichkeiten mehr gibt. Und oft gibt es noch nicht einmal eine Sozialversicherung. Jetzt bangen Zehntausende um ihre Existenz. Bei den Clubs wäre jetzt die Zeit, um das Geld zu verdienen, mit dem man durch das Sommerloch kommt. Viele Clubs werden von jungen Leuten betrieben, die kaum Rücklagen haben, aber jetzt Mieten und Löhne zahlen müssen. Auch hier geht es um Existenzen. Gut ist es, dass es in Köln die Klubkomm mit mehr als 100 Mitgliedern gibt, darunter etwa 60 Clubs. Wir wollen uns selbst organisieren, die Mitglieder über den aktuellen Stand informieren und uns Gehör verschaffen. Es geht jetzt darum, dass wir vom Staat unterstützt werden. Und die Politik hat inzwischen angekündigt, dass auch unsere Belange berücksichtigt werden. Das ist sehr positiv einzuschätzen.

Wie muss die Hilfe für die Musikszene gestaltet werden?

Oberhaus: Jetzt ist schnelle Hilfe gefragt, denn bei vielen gibt es keine Rücklagen. Mehr als vier Wochen halten das die meisten Clubs und Musiker nicht durch. Sonst werden gerade die Künstler in die Sozialhilfe getrieben. Und die Chance, dass Kredite der Banken helfen könnten, ist sehr gering – auch, weil das Prozedere viel zu lange dauern würde. Jetzt ist unbürokratische Soforthilfe angesagt. Die ist auch angekündigt worden, nun kommt es auf die praktische Umsetzung an.

Was kann die Musikszene selbst tun?

Oberhaus: Auf jeden Fall nicht nur auf die staatliche Hilfe warten. Jetzt geht es um die Hilfe zur Selbsthilfe. So gibt es regelmäßig im Internet Streamings aus den Kölner Clubs – da werden Konzerte angeboten und es wird um Spenden gebeten. Alles läuft unter dringeblieben.de oder unter klubkomm.de. Bislang ist das Ganze gut angelaufen.

Wie ist das Feedback der Clubs und der Künstler?

Oberhaus: Zu Beginn ein Schock, der schnell in pure Verzweiflung umgeschlagen ist. Das kam plötzlich und hat wirklich Angst gemacht. Inzwischen ist der Austausch sehr intensiv. Man organisiert sich gemeinsam, um für die eigenen Belange mit einer Stimme einzutreten, was auch Wirkung bei der Politik gezeigt hat. Da ist es jetzt unsere Stärke, dass die Musikszene sowohl in Köln als auch bundesweit sehr gut vernetzt ist. Nur gemeinsam werden wir Lösungen für diese Krise finden.

Wie sieht es mit der c/o pop in diesem Jahr aus?

Oberhaus: Das ist ein Sonderfall, der Start war für den 22. April geplant. Es ist klar, dass das Festival nicht stattfinden kann. Aber die Verordnungen, die Veranstaltungen untersagen, reichen nur bis zum 19. April – sicher ist, dass sie bis Ende des Monats oder auch bis Ende Mai verlängert werden. Aber ohne eine offizielle Anordnung können wir nicht endgültig absagen, weil wir sonst auf den Kosten sitzen bleiben werden. Wir brauchen eine Rechtsgrundlage für die Absage. Schon jetzt kommen wegen Sponsorenabsagen und anderen Dinge Kosten in Höhe von 100.000 Euro auf uns zu. Bei noch mehr Kosten wäre die c/o pop selbst gefährdet. Unser Plan B ist aktuell, das Festival in einer abgespeckten Version im Herbst stattfinden zu lassen. Das ist allerdings auch nicht einfach, da jetzt alle mit ihren Veranstaltungen in den Herbst wollen.

Wie sieht Ihr Alltag jetzt aus?

Oberhaus: Ich fahre morgens ins Büro, da ich dort besser arbeiten kann. Um 10 Uhr gibt es die erste Telefonkonferenz, weitere gerade für die Klubkomm folgen genauso wie Interviews und andere Telefontermine. Man muss auch versuchen, in Zeiten der sozialen Isolation selbst stabil zu bleiben. Das ist nicht immer einfach.

Wie gehen Sie privat mit der Bedrohung durch das Virus um?

Oberhaus: Ich halte mich an die Regeln und vermeide soziale Kontakte. Im Moment fahre ich zur Arbeit und wieder zurück. Abgesehen vom Einkaufen gibt es derzeit sonst nichts.

Was macht Ihnen in der Krise Hoffnung?

Oberhaus: Hoffnung macht mir, dass unsere Probleme auf der politischen Ebene ernst genommen werden und dass jetzt schnell gehandelt werden soll. Hoffnung macht mir außerdem, dass alle Beteiligten in der Musikszene jetzt gemeinsam und solidarisch handeln. Das gibt mir Kraft und Mut, diesen nicht einfachen Weg zu gehen.