Bergischer Geschichtsverein: Publikation geht Alltagsfolgen des Ersten Weltkriegs nach

Der Bergische Geschichtsverein hat am Freitag in der Buchhandlung Hentschel sein neuestes Druckwerk vorgestellt.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Vor hundert Jahren kam durch einen politischen Mord zutage, was an Problemen zwischen den Staaten in Europa bereits lange gärte. Es dauerte nur Wochen, da lagen Kriegserklärungen aus allen Himmelsrichtungen vor — und mitten in all dem Wirrwarr das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II.

Dass auch das Leben in der kleinen bergischen Stadt Burscheid bis ins Mark betroffen war, lässt sich nun in einer ausführlichen Dokumentation nachlesen. Der Bergische Geschichtsverein hat am Freitag in der Buchhandlung Hentschel sein neuestes Druckwerk vorgestellt: Leben in Burscheid 1914 bis 1918.

Die Vereinsvorsitzende Anne Marie Frese recherchierte zusammen mit einem vierköpfigen Team über ein Jahr zu diesem Thema und fand in den Tagebüchern zweier Zeitzeuginnen ihre Hauptquellen. Das Interesse an ihrem Lesevortrag war groß. Über 50 Personen drängten sich in der Buchhandlung.

Bereits in den einführenden Bemerkungen sind Briefe und Feldpostkarten aus Familienbesitz als wichtige Zeugen für den Verlauf dieser Umbruchzeit genannt. Den reichhaltigsten Fundus über das alltägliche Leben in Burscheid bieten die Tagebücher von Paula Roevenstrunck, geborene Hütten (1870—1954) und Clara Casel (1896—1981).

In den sehr detaillierten Aufzeichnungen werden dem Leser die Mitglieder der weitverzweigten Familie Roevenstrunck in lebendiger Weise vor Augen geführt, weder verklärt noch abwertend, mit all ihrem Mut und ihren Sorgen ums tägliche Brot und die „im Feld“ kämpfenden jungen Männer. Gleichzeitig geben die Berichte auch einen Überblick über die Entwicklung der Burscheider Schulen und ihre engagierte Lehrerschaft.

Was Leser heutiger Generationen erstaunen und befremden könnte, ist die feste Verwurzelung des damaligen Großbürgertums in ein monarchistisches Staatengefüge. Jede Demokratisierung rief Skepsis hervor. Ungehindert von dieser traditionellen Denkweise lebten und lernten im Hause des Schuldirektors Gustav Roevenstrunck auch während der Kriegsjahre mehrere Internatsschüler aus verschiedenen Ländern, unter anderem auch ein Sohn eines türkischen Geschäftsfreundes von Burscheider Unternehmern.

Die Notizen der tapferen Paula Roevenstrunck handeln hauptsächlich von den Bemühungen des Ehepaars, ihre Familie plus Gastkinder satt zu bekommen. Die Versorgung der Zivilbevölkerung verschlechterte sich gleich zu Kriegsbeginn Monat für Monat drastisch. Was das Tagebuch festhielt, lässt aber auch deutlich erkennen, wie schnell die begeisterte Stimmung im ganzen Volk verflog, als die ersten Toten in diesem doch so herbeigesehnten Krieg zu beklagen waren.

Clara Casel war 18, als sie durch Schule und Familie in die Unruhen der Zeit hineingezogen wurde. Sie erzählt manche Szene, die ihr in den ersten Monaten wohl eher wie ein Abenteuer erschien, sie aber auch den Tod ihrer nächsten Freunde erleben lassen musste. Mehr als die täglich zu tragende Not war es ihr offenbar wichtig, mit ganzem Herzen hinter den „Helden an der Front“ zu stehen.

Wie die durchlittenen vier Kriegsjahre und die folgende Besetzung durch englische und französische Truppenteile völlig neue Ansichten auf beiden Seiten mit sich brachten, ist in der Dokumentation sehr gut beschrieben. Die Druckausgabe „Leben in Burscheid 1914 bis 1918“ mit vielen Fotografien liegt in der Buchhandlung Hentschel für 15 Euro zum Verkauf aus.