Bürgermeister will nicht an der Steuerschraube drehen
Burscheid bleibt eine Stadt mit Nothaushalt: Düstere Reden in einer düsteren Lage.
Burscheid. Die Töne werden schriller, auch genervter bis hin zur Resignation. Der Kreiskämmerer hatte bei der Einbringung des Kreishaushalts gleich ganz auf eine Rede verzichtet und auch Bürgermeister Stefan Caplan mochte gestern im Rat keine großen Zukunftsvisionen für die Stadt entwerfen. „Dies hätte nichts mit der harten Wirklichkeit zu tun.“
Die harte Wirklichkeit besagt, „dass der endgültige Verzehr des Eigenkapitals und damit die Überschuldung spätestens 2015 eintritt“, wie Kämmerer Bernhard Lentz am Ende seiner Haushaltsrede nüchtern feststellte. Ob ihn da das Lob des Bürgermeisters tröstet: „Sie haben wie immer schlechte Zahlen gut zusammengestellt“?
Die immer gleichen schlechten Zahlen immer neu zu bewerten, fällt allen Beteiligten schwer. Caplan versuchte es diesmal mit Schonungslosigkeit am Rande der Perspektivlosigkeit. So habe der Bund inzwischen alle vier großen Lebensrisiken (Langzeitarbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit, Behinderung und unzureichende Absicherung im Alter) „im Wesentlichen auf die kommunale Ebene abgewälzt“. Nur bei den Kosten für die Grundsicherung im Alter sorge der Bund aber auch für die entsprechende Erstattung.
Ähnlich trostlos die Unterstützung durch das Land: 300 Millionen Euro zusätzlich hatte Rot-Grün den klammen Kommunen in Aussicht gestellt, ganze 36 000 Euro davon kamen im Dezember 2010 in Burscheid an — einer der neun finanzärmsten Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Zum Vergleich: Das Defizit des Haushalts liegt allein in diesem Jahr bei 5,4 Millionen Euro.
Weiteres Ungemach droht durch das neue Gemeindefinanzierungsgesetz. Das sieht eine Anhebung der fiktiven Hebesätze und entsprechend geringeren Finanzbedarf der Kommunen vor. Die Stadt müsste also Grund- und Gewerbesteuer erhöhen, nur um die miese Finanzausstattung der Gegenwart zu halten. „Ich denke, nicht nur ich halte dies für falsch“, reagierte Caplan auf die Pläne. „Wir muten den Menschen genug zu.“ Die Hebesätze sollen auch 2011 unverändert bleiben.
Wenn der Kreistag wie angekündigt eine Einmalrückzahlung des Landes zum Teil an die Kommunen verteilt und noch bei der Jugendhilfe gespart wird, könnte das Defizit in Burscheid zwar auf 4,6 Millionen Euro gedrückt werden. Aber den Eigenkapitalschwund wird auch das nicht aufhalten.
„Zudem werden eventuelle Mehreinnahmen durch die Folgekosten, sprich Zinsen, für die immer weiter steigende Verschuldung aufgefressen. Die Entwicklung der Kassenkredite ist ein Pulverfass“, sagte Caplan.
Aus seiner Sicht sind die Sparbemühungen praktisch ausgereizt. Ob Gemeindeprüfungsanstalt oder Bezirksregierung — keiner der Experten habe noch Potenzial nennenswerten Ausmaßes entdeckt. Das gelte auch für die Personaldecke im Rathaus: „Die Grenze ist erreicht. Mehr ist nicht zuzumuten.“
In den trüben Tenor stimmte auch Kämmerer Lentz ein: „Die Erfolgsmeldungen über die konjunkturelle Entwicklung überschlagen sich zwar, indes lassen sich positive Auswirkungen hieraus für den städtischen Haushalt nicht oder nur sehr verhalten feststellen.“
Bis 2014 müsste der Burscheider Haushalt eigentlich wieder ausgeglichen sein. Das ist natürlich utopisch; ein ausgeglichener Haushalt ist unter den derzeitigen Gegebenheiten auf absehbare Zeit nicht darstellbar. Burscheid bleibt also eine Kommune mit Nothaushalt — so lange, bis Bund und Land wirklich helfen.
Immerhin: „Ich habe wohl den Eindruck, dass diese Ebenen die katastrophale kommunale Finanzsituation inzwischen wahrgenommen haben“, sagte Lentz. Das ist ja schon mal was — nach zehn Jahren.