Erstunterbringung Die Geräusche des Krieges als ständige Begleitung im Ohr

Die ersten Tage in der Flüchtlingsunterkunft Höhestraße verliefen spannungsfrei. Jetzt ersetzt der ASB schrittweise Ehren- durch Hauptamt.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Es gibt immer Orte, an denen aufgeregte gesellschaftliche Debatten ins Pragmatische verdampfen. Die Höhestraße 40 ist seit Sonntagabend so ein Ort. An anderen Stellen wird über Willkommenskultur diskutiert, Aufnahmekapazitäten, Gesetzesänderungen, über das, was Deutschland schaffen kann oder auch nicht mehr. In der Höhestraße müssen derweil 31 Flüchtlinge versorgt werden — oder genauer: seit Dienstagnachmittag 32. Da stand plötzlich ein weiterer Syrer vor der Tür, zu Fuß aus Köln angekommen, weil er via Smartphone erfahren hatte, dass in der Burscheider Erstaufnahmeeinrichtung Verwandtschaft untergekommen ist.

Aus Aleppo war er geflohen, Syriens hart umkämpfter und nach Damaskus zweitgrößter Stadt. Drei Tage hing er in Wien am Bahnhof fest, hat sich dann bis Köln durchgeschlagen und mit Google Maps den Weg ins Bergische gefunden. „Glück gehabt“, sagt Sven Wede trocken. Hätte die Bundespolizei den Syrer früher aufgegriffen, wäre er in die nächstgelegene Einrichtung gekommen ohne Chance, nach Burscheid zu wechseln. „Denn sonst haben wir bald eine innerdeutsche Wanderbewegung.“

Wede passt gut an diesen Ort. Eigentlich ist der Rettungsingenieur hauptberuflich beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) für die Koordinierung des Rettungsdienstes zuständig und damit auch für die Interims-Rettungswache in der Bürgermeister-Schmidt-Straße. Jetzt trägt er zusammen mit Dennis Bracht organisatorische Verantwortung für die aus dem Boden gestampfte Unterkunft in der Höhestraße — und strahlt dabei jene Mischung aus Entscheidungsfreude, Empathie und nüchternem Realitätssinn aus, die notwendig ist, um in Provisorien für Stabilität zu sorgen.

Wede ist zufrieden mit dem Verlauf der ersten Tage. Von Spannungen innerhalb der Flüchtlinge oder gegenüber den Betreuern sei nichts zu spüren. Der 28-Jährige macht als Gründe dafür dafür die relativ homogene Gruppe der aus Düsseldorf eingetroffenen syrischen, afghanischen und irakischen Flüchtlinge aus — und das eher junge Durchschnittsalter der ehrenamtlichen ASB-Helfer, „Da gibt es eine stärkere Empathieebene. Vieles läuft hier auf Augenhöhe.“

Eine Hausordnung ist verteilt und auch übersetzt worden. Und sollte es doch einmal Probleme geben, gibt es einen klaren Maßnahmenkatalog. Das fängt beim Rauchen auf dem Zimmer an. „Wer gegen Regeln oder deutsche Gesetze verstößt, muss mit den gleichen Konsequenzen rechnen wie andere auch.“

Die Höhestraße ist eine vergleichsweise kleine Erstaufnahmeeinrichtung. Logistisch sei eine größere Unterkunft nicht unbedingt aufwendiger, sagt Wede. „Aber man verliert den Blick für den einzelnen Menschen.“ Und auch in Burscheid sind die ehrenamtlichen Kräfte des ASB „müde und gehen auf dem Zahnfleisch“. Schließlich müssen sie auch weiter ihrem Beruf nachgehen.

Schrittweise erfolgt daher jetzt der Wechsel von Ehrenamt zu Hauptamt. „Die ersten Vorstellungsgespräche laufen“, sagt Wede. Zwölf hauptamtliche Kräfte seien notwendig, um in der Höhestraße eine ausreichende Besetzung zu garantieren. „Wir achten dabei auf eine Mischung aus eher sozialpädagogischem und eher medizinischem Personal.“ Mindestens zwei Mitarbeiter sind im Tagesdienst vor Ort, einer auch immer nachts.

In der festen Tagesorganisation kommen externe Ehrenamtliche außerhalb des ASB aus grundsätzlichen Überlegungen nicht zum Einsatz. Wohl aber ist Unterstützung bei Beschäftigungsangeboten möglich. Am Donnerstag stellt sich ein erster denkbarer Helfer vor mit seiner Idee einer Bastelgruppe. Weitere Interessenten können sich in der ASB-Geschäftsstelle melden.

Wann die mobile Registrierung der Flüchtlinge durch den Bund erfolgt, ist offen. Wede sieht seine Aufgabe darin, schnell alle Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Am Freitag sind die ersten Röntgenuntersuchungen in Porz geplant. Schwieriger ist die Klärung, was mit den sieben Jugendlichen passiert, die ohne Begleitung unterwegs sind. Das Jugendamt muss ihr Alter prüfen, weil ihre Papiere nicht immer verlässlich sind, und dann entscheiden, wie es weitergeht.

Die Planungen des ASB für die Höhestraße laufen zunächst mal für ein Jahr. Denn Wede glaubt an kein schnelles Ende: „Für jedes Loch, das wir stopfen, reißen zwei andere auf.“ Vor allem aber hat er in den Gesprächen mit den Ankömmlingen schnell begriffen, welchen großen Unterschied es macht, einen Krieg nur im Fernsehen zu sehen oder seine Geräusche täglich zu hören. Geräusche, die einen irgendwann nur noch zermürben — und in die Flucht treiben.