Die Gewalt gehört zum Tagesgeschäft

Der Respekt ist weg: Polizisten müssen immer mit Angriffen rechnen. Die Fallzahlen bleiben zwar gleich hoch, die „Qualität“ ist aber anders.

Die Gewalt gehört zum Tagesgeschäft
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Burscheid. Als vor wenigen Tagen ein mutmaßlicher Straftäter nach einem angezeigten Raub zur Polizeiwache in Hilgen-Heide gebracht wurde, gingen die Beamten erst mal von einer ganz normalen Vernehmung aus. „Wir fesseln in solchen Fällen potenzielle Täter nicht“, erläutert Sheila Behlert, Sprecherin der Kreispolizeibehörde.

Wenig später kam der Angriff aus heiterem Himmel. „Der Mann sprang völlig unvermittelt mit den Fäusten auf den Kollegen zu. Er hatte ihm nur zwei Fragen gestellt.“ Eine davon passte ihm nicht, habe der Befragte hinterher zugegeben. „Die Frage war mir zu blöd“, soll er gesagt haben.

Anders als früher, müssen Polizisten heute in vielen Situationen mit Gewaltausbrüchen rechnen. Auch wenn es erst mal gar nicht um Straftaten wie Körperverletzungen geht. „Der Ton ist viel rauer geworden, insbesondere im Straßenverkehr, das bekommen dann auch meine Kollegen ab.“ Da sei die Bezeichnung „Bulle“ mittlerweile schon harmlos und sei längst von „Arschloch“ abgelöst worden. Und die Pressemeldungen, bei denen Polizisten bespuckt werden, sind ebenfalls keine Überraschung mehr. Der fehlende Respekt unter vielen Menschen ist längst bei den so genannten Autoritätspersonen angekommen. Das Problem dabei: „Viele Kollegen haben sich an den raueren Ton gewöhnt“, sagt die Sprecherin.

Beleidigungen, Spucken, tätliche Angriffe — all das gehört in die Kategorie „Gewalt gegen Polizisten“. Die Zahlen sind zwar im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich geblieben im Kreis (2016: 60 Fälle; 2017 bislang: 53 Fälle), doch durch die Gewöhnung gehen womöglich viele Polizisten mit derartigen Situationen anders um, als früher, bestätigt Sheila Behlert. „Das ist natürlich subjektives Empfinden“, sagt die Polizistin, aber die Kollegen seien sehr wohl angewiesen, auch kleinste Beleidigungen aktenkundig zu machen. Denn auch die sind eine Form von Gewalt, sagt die Beamtin, die Gewalt auch an ihrer Person schon erfahren hat. „Das erleben wir immer wieder“, sagt sie. Und dabei werde auch beim anderen Geschlecht keine Ausnahme gemacht.

Als sie in ihrer Zeit als Beamten im Streifendienst einer Person einen so genannten Platzverweis aussprechen musste, fand sie sich wenig später auf dem Asphalt wieder. Mit kleineren Blessuren wie Kratzern ging der Angriff gegen sie und einen Kollegen recht glimpflich aus. Doch auch sie sei nach einem Einsatz schon für eine kurze Zeit dienstunfähig gewesen. Die Folge: Die Hab-Acht-Stellung der Beamten gehöre zum Tagesgeschäft. „Wir müssen immer mit tätlichen Angriffen rechnen, auch wenn unser Gegenüber scheinbar friedlich dasitzt.“

Ein weißer Fleck auf der Gewalt-Landkarte ist Burscheid dabei nicht — unabhängig von dem Standort der Wache in Hilgen-Heide. Im vergangenen Jahr gab es vier Fälle, in diesem Jahr sind es bereits fünf. Und das Alter der mutmaßlichen Täter ist häufig recht jung: Noch gut in Erinnerung ist der Beamtin selbst, dass eine Horde von Jugendlichen im Sommer eine Party in einem Burscheider Privathaus stürmten. Auch dort sei den zur Hilfe gerufenen Beamten eine Welle der Gewalt und Beleidigungen entgegen geschwappt.