Burscheid Die "Top Dogs" von Burscheid - Entlasser werden zu Entlassenen

Die Theatergruppe der evangelischen Kirchengemeinde bringt das Stück „Top Dogs“ in einer überzeugenden Inszenierung auf die Bühne.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Es ist nicht zu fassen. Er wurde einfach aussortiert. Von heute auf morgen. Auf einmal sitzt die Krawatte sehr eng am Hals. Dodo Deer (Daniel Kleinschek) läuft auf und ab. Er will es nicht wahrhaben, was die anderen ehemaligen Manager, die im Outplacementcenter gestrandet sind, ihm zu sagen versuchen. „Du wurdest gefeuert!“, lautet die Botschaft, die bittere Erkenntnis. Er habe doch alles für den Konzern getan, sich aufgeopfert. Den Stolz gespürt, immer dann, wenn er das Logo seines Arbeitgebers sah. Der Konzern war seine Familie. Geschwister, Tanten und Onkel könne man doch auch nicht so einfach aus der Familie rauswerfen. „Die sind doch ihr Schicksal!“, schreit sich der einstige Catering-Manager den Frust von der Seele. Deer ist dort angekommen, wo er selbst in leitender Position Untergebene hinbefördert hatte. Er ist am Boden.

Der Frage, was mit Entlassern passiert, wenn sie selbst auf der Straße stehen, widmet sich das Stück „Top Dogs“ von Urs Widmer. Dessen hat sich die Theatergruppe der evangelischen Kirchengemeinde Burscheid angenommen. Auch, wenn sich die Darsteller die vor Anglizismen strotzende Welt ihrer Rollen erst mühsam aneignen mussten. 60 Proben brauchte es, wie Regisseurin Anke Theron-Schirmer berichtete. „Es ist ein großer Findungsprozess gewesen. Vor allem mussten wir Vokabeln lernen. Aber so ist das doch nun einmal im Theater.“ Besagte Vokabeln warfen die Darsteller ihren Zuschauern an den Kopf, als sie brüllend und wutschnaubend durch die Sitzreihen gingen. „Fluktuation! Low Salary! Senior Executing! Competitive! Outsourcing!“

Wie sich herausstellt, ist es für die einstigen „Top Dogs“ genau so. Sie verstehen es nicht, was ihre Vorgesetzten ihnen teils in Kriegsmetaphern zu erklären versuchten. Sie bleiben ratlos zurück, sitzen im Stuhlkreis und analysieren als Selbsthilfegruppe, was schief gelaufen ist.

Überzeugend vermochten Alida Strauß, Anna Brand, Daniel Kleinschek, Andreas Genau, Matthias Knoblauch, Dirk Schirmer, Sarah Krebs und Karin Färber diese Gefühlslagen zu verkörpern. Carsten Holst ging als Heinrich Krause noch einen Schritt weiter. In einem Rollenspiel sollte er sich selbst entlassen. Zu sehen war ein emotionaler Zusammenbruch. Am Ende der herausgebrüllten Hasstirade war die Ehefrau mit schuld, stellte sie doch immer hohe Forderungen, was die „ehelichen Pflichten“ anging. Und dann noch die zwei Kinder, an deren Namen sich Krause nur zur Hälfte erinnern kann. Alle sollen sie sterben — und er selbst gleich mit.

Die Rolle ist von Selbsthass zerfressen. Krause weint immer wieder, zuckt mit dem ganzen Körper, Juckreiz überall. Überragend, wie Holst den psychotischen Schub spielte. Holst ist ein neues Mitglied der Theatergruppe — und hoffentlich bald ein langjähriges. Seine Bühnenpremiere hätte besser kaum laufen können.