Edith Mennen: „Wir waren vollkommen unerfahren“
Edith Mennen über Integration, die Anfänge des Ausländerbeirats vor 16 Jahren und erreichte wie verfehlte Ziele.
Burscheid. Frau Mennen, haben sich die Anforderungen an den Integrationsrat seit 1995 verändert? Edith Mennen: Nein. Ich habe gerade noch die Schwerpunkte des ersten Ausländerbeirats mit den jetzigen verglichen und da gibt es ganz viele Gemeinsamkeiten. Allerdings sind wir damals vollkommen unerfahren angetreten. Es gab kaum Verbindungen zu Verwaltung und Politik.
Die mussten wir uns erst erarbeiten. Das war ein mühsamer Weg. Seit wir den Integrationsrat haben, ist alles wesentlich professioneller und einfacher geworden, zum einen durch die Ratsmitglieder, die jetzt dem Integrationsrat angehören, zum anderen durch die gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung, vor allem mit Christoph Haendeler.
Was hat sich in den 16 Jahren zum Besseren gewendet?
Mennen: Das ist ein Auf und Ab. Burscheid war ohnehin immer eher eine Insel der Seligen mit wenig offener Ausländerfeindlichkeit. Aber es gibt auch hier Vorbehalte und eine unterschwellige Ausländerfeindlichkeit, die sich durch die aktuelle Islamophobie zum Teil noch verstärkt hat. Verbessert haben sich die Bildungschancen ausländischer Kinder und Jugendlicher. Das ist ja ein Thema, das am Anfang ganz vernachlässigt wurde. Dass für Burscheid ein Bildungskonzept erarbeitet wurde, war für alle ein wichtiges Zeichen.
Und welche Erwartungen haben sich nicht erfüllt?
Mennen: Die größte Niederlage war sicher, dass wir das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger bisher nicht durchsetzen konnten. Und die Chancen ausländischer Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt sind selbst bei gleicher Qualifikation schlechter. Aber wir haben viele unserer Anträge durchbekommen: die Einrichtung islamischer Gräber, Bargeld statt Gutscheine für Asylbewerber, einkommensabhängige Elternbeiträge für die offene Ganztagsschule und inzwischen auch die Einbindung des Integrationsrates in die Beratungsfolge, wenn es um Anträge geht, die uns betreffen. Und dass wir uns überhaupt etabliert haben, ist auch schon ein Erfolg. Das ist nicht in allen kleineren Städten gelungen. Da reicht ein Blick nach Wermelskirchen.
Wie klappt es bei derzeit vier vertretenen Nationen überhaupt mit der Integration innerhalb des Integrationsrates?
Mennen: Das hat eigentlich immer gut funktioniert, auch zu Zeiten, als noch mehr Nationen vertreten waren. In anderen Integrationsräten gibt es da schon mal mehr Spannungen zum Beispiel zwischen Türken und Kurden oder Türken und Griechen.
Vor welchen Herausforderungen steht der Integrationsrat aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren?
Mennen: Die Gleichheit der Bildungschancen wird ein wichtiges Thema bleiben. Es darf nicht sein, dass jemand ohne Abschluss die Schule verlässt. Und mir ist ein großes Anliegen, dass Mehrsprachigkeit als Ressource angesehen wird, also der muttersprachliche Unterricht auch eine entsprechende Förderung erfährt. Die so genannte koordinierte Alphabetisierung ist da ein möglicher Weg in den Schulen. Kinder mit guten muttersprachlichen Kenntnissen können wesentlich besser Deutsch lernen.
Hat sich die heftige Integrationsdebatte des vergangenen Jahres in Ihrer Wahrnehmung versachlicht?
Mennen: Aus dem Türkisch-Islamischen Kulturverein bekomme ich mit, dass da Verletzungen entstanden sind, die auch nicht von heute auf morgen vergessen werden. Das Fatale war, dass die Diskussion manche Leute noch in ihren Vorurteilen bestärkt hat. Da wurden plötzlich Sachen ausgesprochen, die man sich früher nicht getraut hat. Andererseits gab es in Burscheid nie wirklich große Probleme.
Wie sieht Ihre eigene Zukunft aus — ganz ohne Ausländerpolitik?
Mennen: Wenn man in mein Alter kommt, ist es wichtig, nicht auf Stühlen kleben zu bleiben, sondern neuen Ideen Platz zu machen. Es gibt auch so genug zu tun. Ich habe mich immer schon in der Betreuung von Asylbewerbern engagiert. Und dann ist da noch die Kontaktgruppe „Interkulturelle Begegnung“ der Zukunftsinitiative. Ich werde mich also nicht ganz aus der Ausländerpolitik zurückziehen. Aber mehr reisen als früher möchte ich schon.