Familienalltag als Stütze für psychisch Kranke

Seit Sommer 2010 läuft das Projekt „Betreutes Wohnen in Gastfamilien“.

Rhein.-Berg. Kreis. Wohin mit psychisch erkrankten Menschen, die noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ambulant betreut für sich selbst zu sorgen, denen man aber auch das Heim ersparen will? Die auch in Burscheid aktiven Vereine „Alpha“ (Wermelskirchen) und „Die Kette“ (Bergisch Gladbach) haben dafür in Kooperation mit der Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Langenfeld eine alte Idee wiederbelebt: das „Betreute Wohnen in Gastfamilien“.

„Der LVR hat uns bereits 2009 angeschrieben, um unser Angebot in diesem Bereich zu erweitern“, berichtet Ulrike Böhm, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Zentrums in Wermelskirchen, die gemeinsam mit ihren Kollegen für die Städte Wuppertal, Solingen, Remscheid sowie Leverkusen und den Rheinisch-Bergischen Kreis zuständig ist. Dass dieses Projekt ab Sommer 2010 in die Tat umgesetzt werden konnte, macht sie stolz: „Beide Vereine haben langjährige Erfahrungen in der Betreuung von psychisch erkrankten Menschen und es ist schön, diesen nun eine neue Möglichkeit der Unterbringung bieten zu können.“

Dabei beschränkt sich der Begriff der Gastfamilie nicht nur auf die Familie im herkömmlichen Sinn — auch Einzelpersonen oder andere Lebensgemeinschaften können einen Menschen mit einer psychischen Behinderung aufnehmen. „Dafür ist keine fachliche Ausbildung notwendig“, berichtet Böhm. Die Gastfamilie sollte lediglich dazu geeignet sein, die psychisch erkrankte Person integrieren zu können.

Denn der Gast sollte die Möglichkeit erhalten, am Leben der Familie teilzunehmen, und in seinem Alltag unterstützt werden. „Die Einbindung in das Familienleben und den natürlichen Tagesablauf stehen im Vordergrund. Davon können beide Seiten profitieren“, sagt Böhm.

Neben den Aufwendungen für Kost und Logis erhält die Gastfamilie zusätzlich ein Betreuungsentgelt. Die Auswahl der Familien erfolgt durch ein professionelles Team. Nach der Aufnahme werden die Familien weiterhin begleitet.

Denn die übernommene Verantwortung ist groß. Grundsätzlich ist die Aufnahme eines Gastes auf Dauer angelegt. Zwar haben die Gastfamilien keine Aufsichtspflicht, aber viele Fragen müssen geklärt werden. Hat der Gast vormittags Beschäftigung oder nicht, was ist im Urlaub?

Inzwischen sind erste Gastgeber gefunden. „Die Interessenten sind bunt gemischt“, sagt Winfried Schönauer (Die Kette) — Selbstständige, aber auch klassische Familien. Und die Motivation bewegt sich zwischen dem Willen, etwas Gutes zu tun, bis zur Aussicht auf den Zuverdienst, „was völlig legitim ist“, wie Schönauer bekräftigt.

Und wenn es trotz intensiver Vorauswahl und Gespräche nicht klappt mit dem Gast? „Es ist niemandem geholfen, wenn jemand mit der Situation permanent überfordert ist. Dann werden wir versuchen, einvernehmlich eine schnelle Lösung zu finden.“