Uwe Boll: Die unerfüllte Sehnsucht nach dem roten Teppich
Der Burscheider Regisseur Uwe Boll zieht gegen die Berlinale und ihren Chef Dieter Kosslick zu Felde.
Burscheid. Vermutlich wäre Regisseur Uwe Boll ein interessanter Fall für eine psychologische Langzeitstudie. Sie müsste der Frage nachgehen, wie sich Schaffenskraft, Charakter und Frust gegenseitig beeinflussen und bestärken. Aktuell sorgt der Burscheider wieder für Schlagzeilen, weil er den Berlinale-Chef Dieter Kosslick verklagen will. Äußerer Anlass: Sein jüngster Film „Auschwitz“ wurde nicht in das Programm des wichtigsten deutschen Filmfestivals aufgenommen.
Formal geht es um die 125 Euro Anmeldegebühr, die Boll zurückfordert. Er mutmaßt, dass keiner der eingeladenen Filme die Gebühr bezahlt hat, während alle Regisseure, die zahlen, ohnehin keine Chance haben, sondern nur ihr Geld los sind.
Aber natürlich ist das nur ein Nebenkriegsschauplatz. In Wahrheit handelt es sich dabei um eine der regelmäßig zu beobachtenden Boll-Eruptionen über eine Filmbranche und Feuilletonszene, die ihm seit Jahren den Rang verweigert, den er sich selbst zuspricht.
Er führe einen Kampf für alle diejenigen, „die im Schatten stehen und nicht über den roten Teppich gehen“, hat der 45-Jährige am Sonntag im Berliner Babylon-Kino erklärt — bevor er dort „Auschwitz“ auf eigene Kappe außerhalb des Wettbewerbs präsentierte. Der Spiegel-Kritiker Stefan Kuzmany schrieb danach: „Es ist nicht ganz klar, ob Boll diesen Film gedreht hat, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen — oder ob ihm das Thema wirklich ein Anliegen ist. Doch gerade wenn man dem Regisseur gute Absichten unterstellt, ist es besser, nicht ausführlich über Uwe Bolls ,Auschwitz’ zu sprechen.“
Das ist noch eine vergleichsweise zurückhaltende Formulierung über einen, der den Titel „Schlechtester Regisseur aller Zeiten“ nicht mehr los wird. Für Boll Ergebnis einer verschworenen Kulturjournaille, die nur noch voneinander abschreibt, ohne seine Filme überhaupt gesehen zu haben — was allerdings für Kuzmany nicht gilt.
Nun ist das Anschauen der Boll-Filme aber in der Tat auch eine Herausforderung. Wer ein distanziertes Verhältnis zu Gewalt, Gemetzel und Horror auf der Filmleinwand hat oder zumindest irgendeinen künstlerischen Sinn darin erkennen möchte, der wird schon allein deshalb zu den meisten Boll-Werken nur schwer Zugang finden — auch wenn sein Sudan-Film „Darfur“ ihm im September 2010 einen Preis beim „New York International Independent Film & Video Festival“ einbrachte. „Max Schmeling“ floppte dagegen wieder bei Publikum wie Kritik.
Aber Kunst, das ist für Boll ohnehin ein Kampfbegriff, der bei ihm die Testosteronwerte explodieren lässt. Er wolle Auschwitz zeigen, „wie es wirklich war“, erklärt er unermüdlich zu seinem neuesten Werk — Schocktherapie eingeschlossen.
So hat Boll es schon immer gehalten. Die vernichtenden Kritiken der vergangenen 20 Jahre haben in ihm zwar ein grundlegendes Gefühl der Verkanntseins erzeugt. Von weiteren Produktionen ließ er sich aber trotzdem oder gerade deswegen nicht abbringen. Das Frustwerk ist inzwischen auf fast 30 Filme angewachsen.
Und ein Ende ist nicht abzusehen. Boll wird weiter als Enfant terrible durch die Filmgeschichte ziehen — und es bleibt Psychologen überlassen zu beurteilen, ob er wirklich darunter leidet oder es vielleicht doch genießt.