Immer mehr Fälle von häuslicher Gewalt im Kreis
Auch in Burscheid musste die Polizei am Mittwoch eine Frau und ihre Tochter in Sicherheit bringen.
Burscheid. Die Fälle häuslicher Gewalt im Kreis steigen immer weiter an. Die Polizei sieht dahinter aber nicht den Trend, dass insbesondere Frauen zu Hause immer häufiger von ihren Partnern geschlagen werden. „Wir gehen vielmehr davon aus, dass es sich hierbei um die Aufhellung des Dunkelfeldes handelt“, sagt Peter Raubuch, Sprecher der Kreispolizei.
Tatsächlich seien viele Menschen, die unter der Gewalt ihres Partners litten, immer noch zögerlich, Hilfe in Anspruch zu nehmen. So auch aktuell bei einem Fall in Burscheid. Am Dienstagabend hatten sich die Eheleute, die erst seit März dieses Jahres verheiratet sind, gestritten. Der 29-jährige Ehemann sei grundlos aggressiv geworden, heißt es.
Auch in der Vergangenheit sei es immer wieder zu Übergriffen gekommen — laut Polizei auch gegen die Tochter der 26-Jährigen. Aus Angst vor Schlägen rief die Frau auch am Dienstagabend nicht die Polizei, sondern wartete damit, bis der Mann am nächsten Tag zur Arbeit gegangen war.
Dann handelten die Beamten: Um weitere Übergriffe zu verhindern, wurden Mutter und Kind an einem anderen Ort untergebracht. Offenbar ein typischer Fall von Angst und Unsicherheit, der klar macht, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher als die angezeigten Fälle ist. „Forschungen haben ergeben, dass es im Schnitt sieben Jahre dauert, ehe Opfer häuslicher Gewalt den Mut haben, Hilfe anzunehmen und sich aus ihrer Situation befreien“, erläutert Susanne Krämer, Opferschützerin der Polizei bei Gewaltdelikten.
Dabei seien die Instrumente, die der Polizei seit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes im Jahre 2002 an die Hand gegeben wurden, gut geeignet, dass Geschädigte das Gewaltszenario verlassen könnten. Beispielsweise das zehntägige Rückkehrverbot, das Beamte Tätern aussprechen können.
Raubuch: „Das soll den Opfern die Möglichkeit geben, über ihre Situation nachzudenken.“ Die Opferschützer der Polizei könnten bei extremen Fällen auch eine Brücke zu entsprechenden Stellen bauen, damit dieser relativ kurze Zeitraum per Verfügung verlängert werde — und zwar bis zu mehreren Monaten.
Das war vor 2002 noch ganz anders: „Hätte die Polizei 1995 erfahren, dass eine Frau von ihrem Ehemann bedroht wird, wäre ein Streifenwagen ausgerückt, die Beamten hätten die Ordnung wiederhergestellt — mit anderen Worten: für Ruhe gesorgt — und gefragt, ob einer der Beteiligten Strafanzeige stellen will. Weitere Maßnahmen hätte es nur gegeben, wenn keine Beruhigung eingetreten wäre“, erklärt Krämer.
„Heute wird das Opfer nicht mehr gefragt, ob es Strafanzeige stellen will, sondern jetzt geschieht das automatisch durch die Polizei. Die Anzeige kann auch nicht mehr zurückgenommen werden, damit nicht die Gefahr besteht, dass das Opfer auf diese Weise unter Druck gesetzt wird.“