Jakobsweg: Mit dem Postrad bis nach Santiago
Marcus Gillmann ist als Pilger unterwegs. Im Sommer will er Nordspanien erreicht haben.
Burscheid. Die Jakobsmuschel prangt unübersehbar auf seinem schwarzen T-Shirt. Das Zeichen der Jakobspilger trägt Marcus Gillmann nicht zufällig mitten auf der Brust. Seit dem 10. April ist er Pilger. Sein Fortbewegungsmittel ist ein altes Post-Fahrrad. Sein Ziel heißt Santiago de Compostela — 3000 Kilometer von seinem Heimatort Kirchweyhe bei Bremen entfernt.
450 davon hat der 27-Jährige schon hinter sich. Und die unliebsame Erfahrung, dass die fünf Gänge seines technisch auf Vordermann gebrachten und blau lackierten Postrads im Bergischen Land doch etwas knapp bemessen sind. Zumal, wenn noch das gesamte Gepäck samt Zelt und Anhänger bewegt werden muss. „Die verdammten Steigungen bin ich als Norddeutscher nicht gewohnt.“
Der gelernte Mediengestalter erfüllt sich gerade einen Traum. Mit einem Kumpel hatte er schon lange Pläne geschmiedet, einmal den Jakobsweg in Nordspanien zu laufen. Daraus ist am Ende eine Solotour auf dem Rad geworden. Und bewusst eine Auszeit ins Ungewisse hinein.
„Ich weiß nicht, wo ich morgen Abend sein werde“, erzählt Gillmann, während auf dem Gaskocher gerade Fertignudeln in Rahmsoße warmgemacht werden. Feste Tagesetappen gibt es nicht, einen festen Zeitrahmen auch nur grob. Bis August möchte er in Santiago angekommen sein. Dann will er noch bis Porto weiterradeln, dort sein Rad verschicken und zurück in die Heimat fliegen. Dafür muss das Geld reichen, dass er sich über Jahre für seinen Traum zusammengespart hat.
Große Ansprüche stellt er nicht auf seiner Tour. Mal kommt er bei Privatleuten unter, mal in einer Scheune, mal im Kloster. Sogar in einer Garage hat er schon übernachtet. In Burscheid zeltet er für zwei Nächte auf der Wiese hinter der evangelischen Kirche in Hilgen-Dünweg.
Gemeinden sind in der Regel seine ersten Ansprechpartner, der Pfarrer seiner lutherischen Heimatgemeinde hat ihm ein Empfehlungsschreiben mitgegeben. „Ich bin bisher überall gut aufgenommen worden. Ich hoffe, das bleibt so.“
Und welches Ziel verfolgt der Radpilger mit seiner strapaziösen Reise? „Ich mache das nur für mich“, sagt er. „Ich will Erfahrungen sammeln.“ Das Wort Selbstfindung meidet er lieber. Auf jeden Fall, das ist ihm wichtig: „Kein Stress, keine Hetzerei.“ 30 bis 40 Kilometer am Tag, das muss reichen. Als sportlicher Anreiz sei die Pilgerfahrt nie gedacht gewesen.
Aber ein Sportgerät hat er doch eingepackt: seinen Golfschläger. Gillmann spielt Crossgolf, die anlagenunabhängige Variante der Sportart. Einmal haben ihn zwei ältere Herren auf seiner Reise schon zu einer Runde auf einem echten Golfplatz eingeladen. Ansonsten dient der Schläger während der Fahrt auch gerne mal als stabile Wäschestange.
Keine Gedanken an mögliche Gefahren seines Unterfangens verschwenden, sondern die Dinge nehmen, wie sie kommen, das ist Gillmanns innere Marschroute. „Ich genieße den Moment.“ Kurz vor Münster war es, als er sich noch mal bewusst gemacht hat, was er gerade tut. „Da sind mir die Freudentränen gekommen.“