Musik „Das Boot hat unsere Welt verändert“

Köln · Sie gelten in der deutschen Technoszene als Legenden. Vor knapp 30 Jahren erschien mit „Das Boot“ ein wegweisendes Album des Genres. Der Hit selbst brachte U96 für Monate an die Spitze der Charts.

U96: Hayo Lewerenz und Ingo Hauss mit dem Schauspieler Claude-Oliver Rudolph.

Foto: Behrens/Anja Behrens

Es folgten ebenbürtige Nachfolger wie „Heaven“, „Love Religion“, „Club Bizarre“ und „Love sees No Colour“, die bis heute Kultstatus genießen. Nach der Trennung von Alex Christensen Ende der 90er Jahre verfolgten Hayo Lewerenz und Ingo Hauss ihr Musikprojekt weiter.

Am Freitag erscheint mit „20.000 Meilen unter dem Meer“ ihr neuestes. Werk. Dieses wird ab Oktober in Kooperation mit dem Schauspieler und „Boot“-Darsteller Claude-Oliver Rudolph als Technomusical spektakulär auf die Bühne gebracht wird. Am 10. Mai 2023 ist es in Köln am Theater am Tanzbrunnen live zu sehen. Wir haben vorab mit Hayo Lewerenz gesprochen. 

Wie ist die Idee zum Technomusical entstanden?

Hayo Lewerenz: Claude und wir sind alte Bekannte. Wir haben ihn vor 20 Jahren in München auf dem Bavaria-Filmgelände bei einem Event zum „Boot“ kennengelernt. Danach hat er mich ein paarmal in Hamburg besucht und ich war bei ihm in Belgien. Entstanden ist die Idee an einem lustigen Abend unter Freunden, an dem wir das Thema gemeinsam entwickelt haben. 

Welchen Part hat Claude Oliver Rudolph beim neuesten Werk?

Lewerenz: Er hat die Geschichte von Jules Verne umgeschrieben, die im Original wegen ihrer Länge nur schwer zu erfassen ist. So ist daraus eine kleine, kompakte und in sich stimmige neue Geschichte geworden, die sich am Original orientiert, die aber auch neue Aspekte einbezieht. 

Wann haben Sie den Klassiker von Jules Verne erstmals gelesen?

Lewerenz: Den habe ich mit 12 oder 13 Jahren von meiner Großmutter geschenkt bekommen. Ich habe das Buch aber nicht zu Ende gelesen, da es für mein Alter damals noch etwas zu langatmig war. Aber mich haben die Ideen von Jules Verne und seine Visionen direkt begeistert. Später habe ich so auch noch andere Romane von ihm gelesen. Das ist Literatur, die die Fantasie beim Leser anspricht und natürlich kommt dort mit der Nautilus auch ein U-Boot vor. Das hat perfekt zu uns gepasst. 

Wie hat „Das Boot“ vor knapp 30 Jahren Ihr Leben verändert?

Lewerenz: Dieses Stück hat unser Leben komplett verändert. Zuvor hatten wir als Musikproduzenten zwar schon erste Achtungserfolge erzielt. Aber mit dem „Boot“ konnten wir auf einmal von unserer Musik leben und uns unseren Traumberuf leisten. Und der Kultstatus ist bis heute erhalten geblieben. 

Wie ist „Das Boot“ damals entstanden?

Lewerenz: Alex hat damals in einem Hamburger Klub gearbeitet. Das Originalstück von Klaus Doldinger hat er immer als Opener verwendet. Daraus entstand dann die Idee, daraus einen eigenen Track für die Klubs zu schaffen, was dann auch wirklich funktioniert hat. 

Wie oft haben sie den Film gesehen?

Lewerenz: Ich habe den Film sicher zehnmal gesehen. Mich begeistert die Leistung dieser Schauspieler, die es schaffen, im visuell sehr begrenzten Raum eines U-Boots so eine lang anhaltende Spannung zu erzeugen. Da geht es um Beklemmung, um Durchdrehen und um den Zusammenhalt – ich liebe Schauspieler, die so etwas auch wirklich spielen können. Das hat auch den großen internationalen Erfolg des Films ausgemacht. Dazu kommt der großartige Soundtrack von Klaus Doldinger. 

Wie hat sich der Sound von U96 in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert?

Lewerenz: Am Ende war U96 sehr kommerziell geworden. Wir hatten viel Druck von unserer Plattenfirma, die immer neue Hits von uns gefordert hat. Heute machen wir nur das, was wir wirklich wollen. Dabei orientieren wir uns nicht mehr an den 90ern, sondern an dem, was heute in der jungen Szene in den Klubs passiert. Das, was uns an Trends und Ideen gefällt, fließt in unsere Musik mit ein. 

Wie hat sich Techno selbst als Genre verändert?

Lewerenz: Die Anfänge von Techno gab es in den USA in einer Untergrundszene wie in Chicago. Das galt auch für die ersten Entwicklungen der Szene in Berlin und Frankfurt. Heute ist Techno oft zu einer massenkompatiblen Musikrichtung geworden. Es gibt aber auch heute noch junge, innovative Musiker, die an die Kreativität der Anfangszeit anknüpfen können und die das Genre immer weitertreiben. Was sich verändert hat, ist, dass Techno heute deutlich langsamer und musikalischer geworden ist. 

Was erwartet die Fans bei der Tour?

Lewerenz: Die Show bekommt ein besonderes Bühnenbild, was aber nicht unbedingt dem eines klassischen Musicals entspricht. Integraler Bestandteil der Show sind Filme und Visuals, die wir selbst programmiert haben. Sie werden auf zwei 4,50 mal 6 Meter großen Leinwänden zu sehen sein und sollen das Stück ganz entscheidend begleiten. Insgesamt werden zehn Schauspieler und wir als Musikduo auf der Bühne stehen. 

Wird „Das Boot“ auch Teil der Show?

Lewerenz: Diesen Klassiker können wir unseren Fans natürlich nicht vorenthalten. Es wird aber das einzige alte Material sein, was in die Show einfließt. „Das Boot“, das sehr gut zum Thema der Show passt, bekommt eine eigene Szene. 

Sie haben bei der Tour Orte wie die Alte Oper in Frankfurt oder den Admiralspalast in Berlin. Wie kam es dazu?

Lewerenz: Die neue Show wird kein Techno-Hammerstück, sondern eine gute Mischung aus Techno-affiner Elektronik und vielen neuen Songs. Das Ganze ist als modernes Musical konzipiert und passt gut an Orte, wo solche Shows normalerweise auch zu sehen sind. Techno muss nicht immer nur in alten Fabrikhallen stattfinden. Orte wie die Alte Oper in Frankfurt geben diesem Genre eine ganz neue Farbe. Das ist etwas, das uns bei diesem Projekt sehr gereizt hat.

Welche Beziehung haben Sie zu Köln?

Lewerenz: Früher waren wir oft auf der Popkomm zu Gast und haben auch immer wieder mit verschiedenn Leuten aus Köln vor Ort zusammengearbeitet. Mit dem Rheinland verbindet uns zudem beispielsweise ein gemeinsames Musikprojekt mit Wolfgang Flür von Kraftwerk.