Buchtipp Auf Zeitreise durch die Küchengärten
Köln · Heute sind eigene kleine Nutzgärten, nicht zuletzt durch die Erfahrungen in der Corona-Zeit, wieder richtig angesagt. Vom kleinen Hochbeet auf dem Balkon über den Schrebergarten in der Großstadt bis zu alten Obstsorten im großen Garten vor der Haustür - viele Menschen setzen heute auf gute, nachhaltige und gesunde Selbstversorgung.
Dabei haben die Nutzgärten eine lange, mehr als 2000-jährige Geschichte, die gerade im Rheinland bis in die Antike und ins Mittelalter zurückreicht. Angepflanzt wurde alles, Obst und Gemüse genauso wie Kräuter, Heilpflanzen und Blumenschmuck. In ihrem gerade erschienenen Buch „Historische Küchengärten im Rheinland“ haben die Gartenhistorikerin Stephanie Hauschild und die Fotografin Marion Nickig neun, frei zugängliche Kleinode besucht, die einen Besuch lohnen.
Einblicke in neun
Kleinode im Rheinland
Vertreten sind im opulenten Bildband Aachen, Braubach, Düsseldorf, Jüchen, Kamp-Lintfort, Köln, Kommern, Krefeld und Xanten. So wird das Buch zu einer lebendigen und bildreichen Reise durchs Rheinland, die die kulturellen und historischen Gegebenheiten der jeweiligen Epochen widerspiegelt. Außerdem stellt der Band ein breites Spektrum an Nutzpflanzen vor von A wie Akanthus bis Z wie Zedratzitrone. Manches ist im Laufe der Zeit verschwunden, manches wurde wieder entdeckt und vieles wird in historischen Gärten bewahrt.
Wie die Römer in der Antike Nutzpflanzen in Gärten kultiviert haben, zeigt der Archäologische Park in Xanten an der Herberge des Freilichtmuseums. Wer dort auf der Restaurantterrasse speist, hat im Innenhof den Blick auf Weinraute und Garten-Amaranth genauso wie auf blühenden Koriander, Katzenminze oder wilden Majoran, die in den rechteckigen Beeten gedeihen. Auch eine Obstwiese gehört zum Garten, von wo der Blick auf die Reste des römischen Hafentempels fallen. Wie römische Gärten ausgesehen haben könnten, weiß man unter anderem von Ausgrabungen in Pompeji. Solche Küchengärten gehörten fest zur römischen Lebensweise. Den Römern haben wir heute noch unter anderem den Kohl und die Küchenzwiebel zu verdanken.
Mit welchen Anweisungen Karl der Große den Anbau von Nutzpflanzen förderte, erkennt man in Aachen. Dort haben die Autorin und die Fotografin die Karlsgärten besucht. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches waren es die Franken, die neue Nutzpflanzen in das ehemalige Reichsgebiet brachten. Aus dem 9. Jahrhundert gibt es beispielsweise noch Pflanzenlisten, Gartenpläne und ein Gedicht über einen Klostergarten. Der kleine Karlsgarten liegt an der Südseite des Rathauses, wo unter anderem Kardone, Gemüseartischocken, Schnittlauch, Salbei und Schwertlilien wachsen.
Am Kölner Museum Schnütgen schaut die heilige Cäcilie von der nach ihr benannten romanischen Kirche auf ihren Garten - eine grüne Oase mitten in der vom Autoverkehr geplagten Innenstadt. Im Mittelalter waren es vor allem die Klöster und ihre Mönche, die das Wissen um die Nutzgärten bewahrten. Dem Kölner Mönch, Theologen und Gelehrten Albertus Magnus, der viele Jahre seines Lebens im Kölner Dominikanerkloster in der Stolkgasse verbrachte, verdankt die Nachwelt die erste Beschreibung einer Gartenanlage, die auf dem Fundament der klösterlichen Baum-, Gemüse- und Kräutergärten ein ganz neues Gartenkonzept realisierte. Hier steht nicht in erster Linie der Ertrag, sondern die Ästhetik und die Erholung im Vordergrund. So wird ein neues Kapitel der Gartengeschichte eingeleitet. Wie Nutz- und Ziergartenelemente in einem Garten nach mittelalterlichem Vorbild ineinandergreifen, zeigt der Kölner Cäciliengarten anschaulich. Zu finden sind dort unter anderem Schlafmohn, geflecktes Lungenkraut und Apfelquitten.
Unter dem Titel „Jemöhs un Jedöns“ wird der 5200 Quadratmeter große Küchengarten von Schloss Benrath in Düsseldorf vorgestellt. Er versorgte den Hofstaat des Kurfürsten mit frischem Obst und Gemüse. Große Artischockenblüten und Salbei können dort genau entdeckt werden wie Fenchelbüschel, Kürbis oder Mais. Dazu kommen beispielsweise ein Mandarinenbaum im Topf und ein großer Feigenbaum.
Einen „Neubeginn zwischen Trümmern“ zeigt der Garten an den Nissenhütten im LVR-Freilichtmuseum Kommern. Es ist ein eher unspektakulärer Garten im Schatten der beiden Baracken, die aus Wellblechfertigteilen zusammengesetzt worden sind. Je zwei Familien teilten sich so ein provisorisches Gebäude und nutzten den dazugehörigen Garten mit seinen Johannisbeersträuchern, Erdbeerpflanzen, Salat, Kohl und Mais in den schmalen, mit Ziegeln eingefassten Beeten. Es ist ein Nutzgarten in seiner ursprünglichsten Form, der in schwierigen Zeiten auch das Überleben sicherte.
Weitere im Band vorgestellte Nutzgärten sind die Gärten des Zisterzienserklosters Kamp, der Bauerngarten im Botanischen Garten des Schönwasserparks in Krefeld-Oppum, der Garten auf der Marksburg hoch über Braubach sowie der Küchen- und Spalierobstgarten im Park von Schloss Dyck in Jüchen.
Stephanie Hauschild, Marion Nickig: Historische Küchengärten im Rheinland, Greven-Verlag, 208 Seiten, 40 Euro