Kunst Alte Kleidung kehrt als Kunst von Afrika zurück zu den Industriestaaten
Köln · Wie ein riesiges schwarzes Kunstwerk aus Stoff scheint die Arbeit von Kresiah Mukwazhi an der Stirnwand im Treppenhaus des Museums Ludwig zu schweben. Erst der genauere Blick offenbart, dass es aus tausenden Einzelelementen zusammengenäht wurde.
Es sind alles Träger und Verschlüsse von BHs, die im Rahmen von Kleiderspenden von Industrienationen in Europa gesammelt wurden und die dann in den globalen Süden geschickt worden sind. Die meisten BHs sind schwarz, auf manchen kann man noch die teils abstrusen Markennamen erkennen.
Geschaffen wurde das großformatige Werk für die Reihe „Schultze Projects“, die alle zwei bis drei Jahre neue riesige Arbeiten von internationalen Künstlern an die exponierte Stirnwand im Treppenaufgang des Kölner Kunstmuseums bringt. Der Name bezieht sich auf Bernhard Schultze und seine Frau Ursula Schultze-Bluhm, deren künstlerische Teilnachlässe das Museum Ludwig verwaltet und zu deren Gedenken 2017 die neue Reihe initiiert wurde. Sie möchte das Vermächtnis des Künstlerpaares mit neuen, extra dafür geschaffenen Werken in die Gegenwart bringen.
Vier Monate hat die Künstlerin mit ihrem Team investiert
„Shanduko ist ein Wort aus meiner Muttersprache Shona und heißt so viel wie ‚Wandel durch Rückforderung‘, nhema bedeutet ‚schwarz‘. Der Titel bedeutet frei übersetzt ‚schwarze Rückforderung‘ oder ‚schwarze Lügen‘. Das Werk fordert die Macht schwarzer Frauen wieder ein“, erklärt die 1992 in Harare geborene Künstlerin, die mit ihrem neunköpfigen Team etwa vier Monate an ihrem bislang großformatigsten Werk gearbeitet hat.
Mukwazhi kommt ursprünglich aus der Fotografie, steht aber als Künstlerin auch für die figurative Malerei und für Skulpturen sowie für Videoarbeiten, Performances und Installationen. Jüngst hatte sie eine großformatige Arbeit bei der Kunstmesse Art Basel Unlimited präsentiert. Dazu kamen im Vorjahr Einzelausstellung im Nottingham Contemporary sowie bei der Wiener Secession. Außerdem war die Künstlerin 2022 mit Werken beim Pavillon von Zimbabwe auf der Biennale in Venedig vertreten. Eine ihrer Malereien gehört seit Kurzem zur Sammlung des Museums Ludwig.
Die Künstlerin verwendet häufig gebrauchte Textilien, die sie zusammennäht oder bemalt, um mit ihnen die Gewalt von Männern gegen Frauen zu thematisieren. Ihre Kunst ist für sie eine Form des Protests, der Selbstermächtigung und ein Ansatz, um Frauen zu stärken und zu unterstützen. Mukwazhi versteht ihre künstlerische Praxis als visuellen Aktivismus. Dabei steht der Körper als Austragungsort strukturellen Machtmissbrauchs im Fokus. In ihren Werken finden sich so Accessoires wie Perücken oder Kleidungsstücke wie Petticoats, die direkt oder indirekt mit dem weiblichen Körper und gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblichkeit assoziiert werden.
„Mein Anliegen ist es, mit meinen Arbeiten das afrikanische Narrativ des Feminismus zu dekolonisieren. Die figurativen Bilder entspringen dem Wunsch, die realen, mitunter persönlichen Geschichten anderer Frauen auszudrücken, die durch meine Arbeit gesehen oder gehört werden möchten. Mit dieser Arbeit beabsichtige ich, den heiligen Charakter von Frauen wieder einzufordern, der ihnen so oft abgesprochen wird; sie sollten als königliche Wesen betrachtet und als solche gefeiert werden. In der Shona-Kultur trägt nur die angesehenste Person oder der angesehenste Geist im Rat schwarzen Stoff”, sagt die Künstlerin.
Ihre Kritik geht aber weiter: „Die Tatsache, einen BH zu tragen ist ein Konzept des Westens, das wir, ohne es zu hinterfragen, übernommen haben. Die BHs nun auseinanderzunehmen und die Einzelteile anders als gedacht wieder zusammenzusetzen und nach Europa zurückzubringen, bedeutet auch: ‚Seht es Euch an, das hat für uns nicht funktioniert.‘ Damit will ich auch ganz generell Ideologien und Konzepte infrage stellen, die wir aus dem Westen übernommen haben.“