Geschichte Opposition gab es in der akademischen Welt selten

Köln · Die Kölner Universitätsmedizin war während der Herrschaft der Nationalsozialisten an Unrecht und Verbrechen beteiligt. So wurden Mitarbeitende in der NS-Zeit aus ideologischen Gründen entlassen und verfolgt.

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Foto: Verlag/Böhlau

In der Frauenklinik und in der Chirurgischen Klinik der Uni wurden tausende Menschen zwangssterilisiert.

Das Anatomische Institut in Köln profitierte von der Hinrichtung politischer Häftlinge im Gefängnis „Klüngelpütz“. Opposition gab es in der akademischen Welt nur selten, auch die Studierenden passten sich dem Regime an. In seinem jetzt beim Böhlau-Verlag erschienenen Buch „Die Medizinische Fakultät der Universität zu Köln in der NS-Zeit“ blickt der Medizinhistoriker Ralf Forsbach hinter die Kulissen dieser dunklen Epoche.

Im Buch finden sich Biografien von Tätern und Verfolgten

So schildert er in seinem reich bebilderten Buch die Biografien wichtiger Akteure wie die der Klinik- und Institutsdirektoren sowie die des städtischen Gesundheitsdezernenten Carl Cörper. Denn nach der Wiedergründung der Universität im Jahr 1919, als aus der “Akademie für praktische Medizin” in Köln die Medizinische Fakultät entstanden, war die Verflechtung zwischen städtischen und universitären Strukturen weiter eng. So blieb die Verwaltung der Kliniken und Institute weiter Aufgabe der Stadt. Einen Überblick über die Akteure der Fakultät geben im Band Personenregister und Übersichtstabellen, die auch Parteimitgliedschaften beinhalten.

Der Blick fällt aber auch die von der NS-Diktatur verfolgten Menschen wie dem Anatomen Otto Veit oder dem Psychiater Gustav Aschaffenburg sowie auf diskriminierte Studierende und ihrer akademischen Titel wie dem Doktor-Grad beraubter Ärztinnen und Ärzte. Dabei bleiben die Strukturen an der Fakultät nicht im Dunkeln. Trotz Gleichschaltung und Gewaltregime gab es durchaus Spielräume für humanes Handeln.

Mit seinem Forschungsprojekt schließt Forsbach eine lange vorhandene Wissenslücke in der Historie der Kölner Universität, indem er erstmals eine Gesamtdarstellung der Geschehnisse veröffentlicht. Sein Band gibt Aufschluss über die Haltungen der Fakultät als ganzer, der einzelnen Kliniken, Institute und Fächer inklusive der maßgeblich Verantwortlichen. Ebenso wird das Leid der Menschen geschildert, die mit der Fakultät in Kontakt gekommen sind und denen dort Unrecht zugefügt wurde.

„Wenn uns vor Augen geführt wird, wie an uns heute vertrauten Orten Verbrechen geschahen, zeigt dies einmal mehr, wie unmittelbar die Diktatur auch in ‚unsere‘ Fakultät eingriff und wie wenig die Medizinische Fakultät diesem Eingreifen entgegensetzte“, schreibt der Dekan Prof. Gereon R. Fink in seinem Geleitwort.

So profitierten die Einrichtungen der Fakultät in der NS-Zeit von der Zwangsarbeit, an Patienten und Patientinnen zwangsweise durchgeführten Operationen und der Einlieferung von Leichen hingerichteter Menschen. Dass diese aktive Beteiligung am NS-Unrecht damals ethische Debatten innerhalb der Fakultät ausgelöst hätte, spiegelt sich in den Akten nicht wider, schreibt Fink weiter.

Wichtig ist für ihn, dass auch noch weiter an diesem Thema geforscht wird und dass der Blick dabei auch auf die Nachgeschichte der NS-Zeit an der Medizinischen Fakultät gerichtet wird. Hier liege das Wissen über die Jahrzehnte nach 1945 noch größtenteils in den Archiven und müsse dort geborgen werden.

Die Medizin als solche wurde von den Nationalsozialisten nicht angezweifelt, trotzdem nahmen sie Einfluss auf ihre Ausrichtung. Das wirkt sich beispielsweise auf alternative Heilmethoden wie Naturheilkunde und Homöopathie aus, die ins Abseits gestellt wurden, da das Regime vorrangig an einer effektiven Kriegsmedizin interessiert war.

Während der NS-Zeit gewann die Medizinische Fakultät in Köln an Bedeutung. Der Anteil ihrer Studierenden stieg und man stellte in dieser Zeit drei Rektoren, die zu Exponenten des NS-Regimes wurden. Fanatische Nationalsozialisten waren an der Fakultät eher selten, aber vielfach wirkten Ärztinnen und Ärzte am NS-Unrecht mit, das in den Kliniken und Instituten vollzogen wurde - mit dramatischen Folgen für die Betroffenen. Nur sehr wenige gingen auf Distanz zum Regime, wie Ernst Engelking als Direktor der Augenklinik.

Ralf Forsbach: Die Medizinische Fakultät der Universität zu Köln in der NS-Zeit, Böhlau-Verlag, 330 Seiten, 49 Euro