Ausstellung Russische Avantgarde ist teils Ukrainische Moderne

Köln · Was passiert, wenn ein Museum plötzlich feststellt, dass seine Sammlung zur „Russischen Avantgarde“ teilweise Ukrainische Moderne ist? Eben das widerfuhr dem Museum Ludwig. Die Sache wird ab heute bis September in der Ausstellung „Ukrainische Moderne 1900-1930 & Daria Koltsova“ aufgearbeitet.

Die ukrainische Künstlerin Daria Koltsova steht vor ihrem Werk „Zusammengesetzt“ im Museum Ludwig.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Ausstellung ist politisch aufgeladen, da der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine bekanntlich eine eigenständige Kultur und nationale Identität abspricht. Die Epoche 1900 bis 1930 ist vor diesem Hintergrund besonders interessant, da die Ukraine in dieser Zeit nach Autonomie strebte, zeitweise sogar unabhängig war, aber dann letztlich in der Sowjetunion aufging.

Künstler dieser Zeitspanne wurden von westlichen Kunsthändlern unter dem Begriff „Russische Avantgarde“ zusammengefasst und vermarktet. „Von zentraler Bedeutung für die damaligen Künstlerinnen und Künstler war eigentlich, dass sie international vernetzt waren“, sagt die stellvertretende Museumsdirektorin Rita Kersting. „Einige haben sich als Ukrainer und Urainerinnen gefühlt und andere haben dezidiert keine Nationalität angegeben. Aber ‚Russische Avantgarde‘ ist in jedem Fall ein falscher Begriff. Den haben Galeristen im Westen erfunden - das war uns auch vorher schon klar. Aber selbst wir hier im Museum haben nicht gewusst, wie viele Künstlerinnen und Künstler in Kiew oder Charkiw geboren worden sind, dort ihre Ateliers hatten.“

Die Ausstellung war zuvor bereits in ähnlicher Form im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid zu sehen. Unter abenteuerlichen Umständen waren die Bilder dafür aus der Ukraine in den Westen transportiert worden. Jetzt also sind sie in Köln, angereichert mit Bildern aus den Beständen des Museums, das international für seine große Sammlung von „Russischer Avantgarde“ bekannt ist.

Erweitert wird die Ausstellung in Köln durch eine aktuelle Auftragsarbeit der 1987 in Charkiw geborenen Künstlerin Daria Koltsova. Sie präsentiert eine beeindruckend schöne monumentale Glasinstallation, die sich auf das berühmte Derschprom-Gebäude in ihrer Heimatstadt bezieht. Dieses in den 1920er Jahren errichtete konstruktivistische „Haus der Staatlichen Industrie“ war seinerzeit der größte Stahlbetonbau Europas.

Die ukrainische Kuratorin Yuliia Berdiiarova vergleicht die Bedeutung des Bauwerks für die Einwohner von Charkiw mit der des Doms für die Kölner. Immer dann, wenn die Stadt von den Russen bombardiert werde, überprüften die Bewohnerinnen und Bewohner von Charkiw nicht nur, ob ihr eigenes Haus noch stehe, sondern auch, ob der Derschprom noch intakt sei, berichtet Berdiiarova.