Technik Textilfassade filtert Schadstoffe aus der Luft

Köln · Das Potenzial von ungenutzten Flächen an großen Gebäuden in einer Metropole wie Köln ist enorm. So bieten sich die Dächer vieler Bauten als gute Standorte für Photovoltaikanlagen zur Stromgewinnung an und begrünte Fassaden können ihren effektiven Beitrag zum Klima leisten.

An der Nordseite des VHS-Studienhauses wurde die neue Textilfassade installiert.

Foto: step/Eppinger

Eine ganz neue Idee wurde jetzt bei einem Umwelt-Pilotprojekt an der Fassade des Studienhauses der Volkshochschule an der viel befahrenen, vierspurigen Cäcilienstraße unweit des Neumarkts präsentiert.

Dort wurde auf der Nordseite eine 320 Quadratmeter große stickoxidbindende Textilfassade installiert. Diese filtriert mittels aufgebrachter Wirkstoffe gesundheits- und umweltschädliche Stickstoffe und wandelt diese in unschädliche Nitrate um. Diese werden beim nächsten Regen aus dem Stoff der Fassade gespült. Dieser wurde umweltfreundlich aus 4400 recycelten Kunststoffflaschen hergestellt. Auch die Unterkonstruktion besteht zu 75 Prozent aus wiederverwendetem Aluminium. Auf den Einsatz von Klebstoffen wurde bei der Installation komplett verzichtet.

Nach ersten kleinen Testläufen unter anderem in Hamburg ist die neue Textilfassade erstmals an einem Hauptverkehrsknotenpunkt in einer deutschen Großstadt im Einsatz. Diese besteht aus zwei acht mal zwanzig Metern großen Membranflächen und soll jetzt ein Jahr auf ihre Effektivität überprüft werden.

Dazu wurde sie mit zehn Sensoren und zwei unabhängig voneinander arbeitenden digitalen Messsystemen versehen. Vor Ort wird jeweils die Luftqualität vor und hinter der Membran kontrolliert. Beim Hamburger Versuch konnte auf einer Testfläche von 80 Quadratmetern eine Reduzierung der Schadstoffe um 30 Prozent festgestellt werden.

Dabei wurde zudem erkannt, dass die Textilfassade nicht nur Stickstoff filtert, sondern auch das Gebäude im Sommer vor Überhitzung schützt. So kann der Energieaufwand für die Kühlung der Innenräume reduziert und damit auch CO2-Emissionen sowie der Verbrauch von Kühlmitteln gesenkt werden. Da die textile Membran transparent ist, kann sie auch ohne Sichteinschränkungen vor Fenstern angebracht werden.

Die durch die katalytische Beschichtung der textilen Bespannung aus Kreuzgittergewebe in unschädliche Verbindungen umgewandelten Stickstoffe können, angereichert mit dem Regenwasser, als Mineralstoffe für nährstoffarme Böden wie bei einer Gebäudebegrünung eingesetzt werden. Außerdem lässt sich die textile Fassade beliebig bedrucken und trägt so zu einer neuen Gestaltung von Gebäuden bei. Zudem kann diese so auch als Werbefläche vermarktet werden. Eingesetzt werden könnte der Stickoxid-Filter beispielsweise auch bei den großen Fassaden von innerstädtischen Parkhäusern.

Umgesetzt wurde das Projekt von der Stadt in Kooperation mit der Stiftung „Lebendige Stadt“ und dem auf Fenster, Türen und Fassaden spezialisierten Bielefelder Unternehmen Schüco. Dieses finanzierte die Herstellung und die Montage der Membran mit 250.000 Euro. Die Stiftung investiert rund 100.000 Euro für die fortlaufenden Messungen und Auswertungen der Ergebnisse, die vom bekannten Forschungszentrum Jülich ausgeführt werden. Die Stadt selbst stellt die Fassade bereit und erstattet anfallende Gebühren in Höhe von 50.000 Euro.

Wie groß der Bedarf an solchen innovativen Luftfiltern weltweit ist, zeigen die aktuellen Zahlen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind 91 Prozent der Weltbevölkerung einer zunehmenden Luftverschmutzung ausgesetzt, was jedes Jahr zu 4,2 Millionen vorzeitigen Todesfällen führt. Die OECD schätzt die wirtschaftlichen Verluste durch verschmutzte Luft, wie bei Krankheitskosten, Gebäudeschäden oder Arbeitsausfällen, auf mehr als 5,1 Billionen US-Dollar pro Jahr.