Buchtipp 800 Jahre Kölner Kriminalgeschichte
Köln · Schon immer war Köln in seiner gut 2000-jährigen Stadtgeschichte eine Handelsmetropole, ein Kulturzentrum und eine Pilgerstätte. Doch die Rheinmetropole hat auch ihre Schattenseiten als Hort von Verfehlungen und Verbrechen.
In seinem neuen Buch nimmt der Autor und Journalist Georg Bönisch seine Leser mit auf eine Reise in die Kölner Kriminalgeschichte zwischen 1074 und 1894. Zu entdecken gibt es grausame Fälle wie Morde und Justizmorde, aber auch Humorvolles von listigen Fälschern und Betrügern.
„Kriminalgeschichte ist eben auch Stadtgeschichte“, sagte Matthias Hamann, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, anlässlich der Buchpräsentation in seinem Haus. „Natürlich ist dies nur eine Perspektive auf die Historie. Aber wer begreifen will, wie die Stadtgesellschaft funktionierte, wer Macht hatte und wer nicht, und wie sich dies ganz konkret auf Menschen auswirken konnte – für denjenigen liefert dieses Buch Geschichten aus der Geschichte, die erhellen, betroffen machen und Erkenntnisse liefern. Ein lesenswertes Buch, das Georg Bönisch in seiner bekannt herausragenden journalistischen Art geschrieben hat.“
Der Annostollen am Dom kann heute noch besichtigt werden
Der Blick des Autors fällt dabei zum Beispiel auf den Aufstand gegen den Kölner Erzbischof Anno II. im Jahr 1074. Der gebürtige Schwabe ist beim Klerus und den Bürgern in der Stadt ziemlich unbeliebt, während er von den Menschen im Umland und den ärmeren Bevölkerungsschichten verehrt wird. Anno ist ein mächtiger Mann, gilt aber als raffgierig, selbstherrlich und starrsinnig. Kein Wunder, dass sich an Ostern 1074 die Wut gegen ihn in der Stadt entlädt. Der erzbischöfliche Palast wird gestürmt und Anno flieht nach Neuss, um sich zum Gegenschlag zu rüsten, den er erfolgreich durchführt. Viele Bürger fliehen deshalb aus Köln.
Doch der Aufstand ist nur der Beginn eines Wandels, der den Bürgern mehr Macht und Rechte verleiht. Große und mächtige Familien wie Overstolz oder Lyskirchen bestimmen das Stadtgeschehen. Die Erzbischöfe werden als Stadtherrn weitestgehend entmachtet und residieren nach der Schlacht von Worringen in Brühl und Bonn. Noch heute kann der Annostollen in der römischen Stadtmauer in der Tiefgarage unter dem Dom besichtigt werden, er war das Schlupfloch des Erzbischofs bei seiner Flucht.
Weitere historische Fälle aus dem Mittelalter blicken zum Beispiel auf das Pogrom gegen die Kölner Juden in der Bartholomäusnacht 1349, den Aufstand der Gaffeln gegen Rat 1512/13 oder auf Konrad Dinslachen, der als Fälscher von Rentbriefen seinen Reichtum vermehren wollte und der dabei die Justiz in der Domstadt zum Narren hält.
Immer wieder gibt es in Köln grausame Morde und Hinrichtungen, wie die von Hieronymus Michiels im Jahr 1587, ein ranghoher Mitarbeiter des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Benno von Bayern, der für seinen Herrn von den Kölner Bürgern Geld für die Kriegskasse beschaffen soll. Dabei geht er mit brutaler Härte vor, was dem „Blutsauger und Würgeengel“ schließlich zum tödlichen Verhängnis wird.
Dazu kommen Opfer des Hexenwahns, wie beim grausamen Schicksal der Katharina Henot, der Chefin der Kölner Postmeisterei, der ihre hohe Herkunft nicht nützt und die schließlich 1627 auf Melaten gehängt wird. Der Tod ist auch das Schicksal des Bandwaren- und Weinhändlers Nikolaus Gülich, der sich 1686 gegen die Machtgier, Korruption und Skrupellosigkeit der Kölner Bürgermeister wehrt und der mit seinen Getreuen kurzzeitig das Regime in Köln übernimmt. Am Ende wird Gülich öffentlich hingerichtet und sein Kopf auf einer Eisenstange auf dem Bayenturm zur Schau gestellt.
Bei weiteren Fällen geht es unter anderem um eine Kölner Apothekerin, die für ihr Recht kämpft, das Geschäft ihres Mannes fortführen zu können, um die Studentenrevolte im Jahr 1744, um die Exkommunizierung eines frommen Kölner Polizeichefs im Jahr 1770 sowie um einen hinterlistigen „V-Mann“ der Kölner Polizei, der 1817 in der Stadt reichlich Schaden anrichtet. Auch der erste Kölner Klüngel-Prozess wird von Bönisch unter die Lupe genommen.
Neben Kriminellem hat er auch Skurriles in sein so unterhaltsames, wie auch gut recherchiertes Werk aufgenommen: zum Beispiel Heinrich Peter Bock, geboren am 30. Juli 1822. „Eigentlich sollte er Metzger werden“, schreibt Bönisch, „doch wurde er weder Metzger noch sonst etwas: Er wurde der ‚Maler Bock‘, obwohl er nie ein Bild gemalt hat.“ Seine Erscheinung war einzigartig: Am linken Fuß einen Pantoffel, am rechten einen Stiefel mit Reitersporn, dazu spanischer Mantel und Spitzhut mit Feder. Die Mappe unter dem linken Arm enthielt wohl nur angeblich Zeichnungen. Ein drolliger Betrüger und, so Bönisch, „bis heute eines der größten Kölner Originale“. Wegen „fortgesetzter Müßiggängerei“ landete er in der berüchtigten Arbeitsanstalt Brauweiler.
Georg Bönisch: Tatort Köln - True Crime 1074 bis 1894, Greven Verlag, 176 Seiten, 16 Euro