Zwangsheirat Mühsamer Weg der Bedrohten in die neue Identität
Was für Zeugen etabliert ist, gilt nicht in gleicher Weise auch für Opfer. Ein Fallbeispiel aus Rhein-Berg.
Rhein.-Berg. Kreis. Wichtige Zeugen können sich auf den Schutz des Staates verlassen. Um sie zu schützen, wird ihnen gegebenenfalls auch eine neue Identität ermöglicht. Für Opfer gilt dieser Schutz noch nicht in gleichem Maße. Gundi Hebborn setzt sich dafür ein, dass sich das ändert.
Fünf Monate haben die Kriminalhauptkommissarin und ihre Kollegin Susanne Krämer vom Kommissariat Kriminalprävention und Opferschutz darum gekämpft, eine junge Frau, die vor einer Zwangsheirat geflohen war, und ihrem Partner Sicherheit und ein neues Leben zu ermöglichen. Und Hebborn hat dabei gelernt, wie wenig selbstverständlich dieser Schutz In NRW noch ist — trotz offenkundiger Bedrohungslage.
In der behördeninternen Mitarbeiterzeitung Pin haben Hebborn und Krämer von ihren Erfahrungen mit einem Fall berichtet, wie er in dieser Intensität in Rhein-Berg bisher einzigartig ist. Sie erzählen von großen Problemen mit der Bürokratie bei der nötigen Verschleierung der Identität.
Das fing schon bei der Ausländerakte an, die von einer anderen Behörde nach Bergisch Gladbach gelangen sollte. Ohne Akte keine Anmeldung, ohne Anmeldung kein Geld vom Jobcenter. Aber die Akte wird ohne Abmeldung nicht herausgerückt. Was macht da einer, der seine Spuren zur eigenen Sicherheit verwischen muss?
„Ich habe in dem Prozess auch gelernt, dass mit der einmal vergebenen Rentenversicherungsnummer jeder Weg einer Person nachvollziehbar wird“, sagt Hebborn. Ohnehin werde es im Zeitalter der Digitalisierung immer schwieriger, Spuren zu verwischen. „Es passiert ganz schnell, dass Lücken entstehen.“
Und selbst bei der zwischenzeitlich erreichten Einbürgerung hakte es. „Die sollte zunächst unter dem alten Namen erfolgen.“ Am Ende half nur das: alle beteiligten Behörden an einen Tisch bringen zum klärenden Gespräch. Danach kam endlich Bewegung in die Angelegenheit.
Die Hilfsorganisation Hennamond hatte den beiden zunächst eine provisorische Unterkunft in einer Gastfamilie besorgt. Sie war länger notwendig als erwartet. Aber inzwischen konnte ein Arbeitsplatz vermittelt werden, eine eigene Wohnung ist gefunden und die Opferschützer sind zuversichtlich, dass der Weg in die neue Identität gelungen ist.
„Aber die soziopsychologische Betreuung darf jetzt nicht nachlassen“, sagt Hebborn. Für die beiden jungen Menschen sei der Bruch mit dem familiären Netzwerk ein harter Einschnitt, der belaste. „Und wir brauchen für solche Fälle künftig eine Art Task Force und müssen noch eine Liste anlegen mit all den hilfreichen Personen und Informationen, die wir in den Monaten mühsam zusammengetragen haben.“ Auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum operativen Opferschutz, die auf Landesebene inzwischen gebildet wurde, will Hebborn sich in künftigen Fällen nicht allein verlassen müssen.