Von Goetze an die Mailänder Scala
Wie aus dem Arbeiter Franz-Josef Kapellmann ein Bariton von internationalem Rang wurde.
Burscheid. Es ist ein paar Wochen her, da fiel der Burscheider Gastronom Martin Lorenzet fast vom Stuhl. In seinem Witzheldener Landhaus stand nach über 40 Jahren wieder ein Mann vor ihm, den er noch aus seinen Zeiten der Kaltenherberger Gaststätte „Wiehbachquelle“ kannte. 1969 hatte Franz-Josef Kapellmann dort mal im Rahmen der Reihe „Kabarett der Unbekannten“ die Gunst der Jury und des Publikums mit russischen Volksweisen gewonnen. Unbekannt ist der Bariton danach aber nicht geblieben.
24 Jahre alt war Kapellmann Ende der 60er Jahre. Der Sohn des Küchenchefs im Goetze-Hof rackerte im Maschinenbau der Firma und sang aus Leidenschaft: im Goetze-Chor, bei den Sangesfreunden Leverkusen, auch bei der Volksbühne Bergisch Neukirchen mischte er mit. Irgendwann wurde ihm nahegelegt, doch mal bei der Kölner Musikhochschule vorzusingen. Gesagt, getan: Kapellmann nahm sich ein Herz — und wurde genommen.
„Ich bin dann zu meinem damaligen Chef Otto Feller gegangen“, erinnert sich Kappellmann heute. „Der hat gesagt, jetzt machst du das mal für zwei Semester und wenn es klappt, ist es schön für dich. Und sonst ist es schön für uns. Damit hatte ich die Möglichkeit zurückzukommen.“
Eine Option, die der Sänger aber nicht nutzen musste. Als Bariton entwickelte er sich zum Senkrechtstarter. Dem Studium folgte ein erstes Engagement an der Deutschen Oper Berlin, zwei Jahre später am Theater Dortmund. „Dort habe ich dann gekündigt und danach nur noch freischaffend gearbeitet.“
Mit durchschlagendem Erfolg. Eine Auswahl der Stationen: Salzburg, die Wiener Staatsoper, Engagements unter Christoph von Dohnányi in Cleveland und Paris, von 1998 bis 2000 auch Auftritte an der Mailänder Scala.
Von Mozart über Verdi zu Wagner — eine klassische Entwicklung bei Opernsängern. Kapellmann findet die Rolle seines Lebens in Wagners „Ring der Nibelungen“: Den Alberich singt er unzählige Male auf den internationalen Opernbühnen.
Inzwischen hat Kapellmann die Opernkarriere an den Nagel gehängt. In einer Woche wird er 66, der Rücken will nicht mehr. Doch glaubt man seiner Aussage, fehlt ihm das Bühnenleben nicht. „Mein Hobby ist die Natur.“ Auf seinem Hof bei Dachau findet er genug davon.
Die modernen Inszenierungen versteht Kapellmann ohnehin nur noch selten. Gelegentlich gibt ihm seine Freundin einen Tipp, welche Aufführung sich lohnt. Sie ist als Modistin für die weiblichen Kopfbedeckungen an der Bayerischen Staatsoper in München zuständig. Ansonsten sind von seinem Beruf gelegentliche Liederabende geblieben — „und ein paar nette Gesangsschüler“.
Regelmäßig kehrt er auch in seine bergische Heimat zurück. Dann übernachtet er im Hotel „Zur Heide“ und freut sich an der Natur: „Das Bergische ist immer wieder schön, wenn das Wetter gut ist.“