Westerngefühl im Bergischen

In der Reithalle Köttershof haben sich am Wochenende die Pferdefans zum Turnier getroffen.

Foto: Nicole Haase

Burscheid. Günter und Agnes Hauptvogel haben den besten Blick. Sie nippen an einer Tasse Kaffee. „Guck mal, die macht das toll“, sagt Günter Hauptvogel und deutet nach unten. „Ein schönes Pferd“, sagt Agnes Hauptvogel und nickt. Von der Galerie aus beobachtet das Ehepaar, was in der Reithalle Köttershof in Lützenkirchen passiert. Maya Esser geht dort gerade an den Start. Die Neunjährige sitzt fest im Sattel. Selbstbewusst betritt sie die Halle mit ihrem Araber-Welsh. „So einen hatten wir auch mal“, sagt Günter Hauptvogel prüfenden Blickes. Eigentlich wollte er ja nicht mit zum Westernreitturnier, sagt der Rentner aus Odenthal mürrisch. Aber bei drei Frauen habe er einfach keine Wahl gehabt. Agnes Hauptvogel winkt die Bemerkung ab. Sie wartet darauf, dass ihre Tochter unten zu sehen ist. „Das mit den Pferden, das hat unsere Petra von ihrem Papa. Ich reite ja nicht.“

Foto: Nicole Haase

Seit vielen Jahren ist ihre Tochter Petra Nassenstein passionierte Westernreiterin. Cowboyhut und Stiefel sind für sie obligatorisch. „Sie war neun, als sie ihr erstes Pony bekam“, erinnert sich Günter Hauptvogel. Ja, das war damals in den 70ern was Besonderes. Ein Seufzer. „Damals standen immer viele Kinder an unserer Weide und wollten die Ponys sehen“, erzählt Günter Hauptvogel. „Täglich hatten wir Kinderbelustigung.“ Heute ist es ruhiger geworden auf der Weide in Odenthal. Und dennoch: „Uns kennt in Glöbusch jeder“, sagt Günter Hauptvogel.

Andrea Brückner stimmt zu. Die Burscheider Trainerin leitet den Treffpunkt Leverkusen/Burscheid der Ersten Westernreiter Union Deutschland, der das Turnier veranstaltet. Sie setzt sich dazu. Ihren Blick wendet sie nicht vom Turniergeschehen ab. Unten öffnet Maya Esser gerade ein Tor, weiter geht es über Stangen, die auf dem Boden liegen, und eine angedeutete Brücke.

„Hier ist die Zielsetzung eine andere als beim Dressurreiten. Das Natürliche steht im Vordergrund“, erklärt Andrea Brückner. „Das Pferd wird auf Ruhe und Gelassenheit trainiert.“ Die Hindernisse sollen Bedingungen im Gelände simulieren, wie Unterholz und enge Wege. Auch rückwärts muss das Pferd gehen können, ohne unruhig zu werden. Und, ganz wichtig: Das Pferd muss Interesse zeigen. „Ideal ist, wenn das Pferd beispielsweise die Stangen anschaut“, sagt Brückner. Das schlägt sich auf die Bewertung nieder.

Der Araber-Welsh von Maya Esser jedenfalls bleibt gelassen. Die Prüfung ist geschafft, die nächste Reiterin ist dran. 76 Pferd- und Reiterkombinationen der Leistungsklassen 4 und 5 gehen in Lützenkirchen an den Start. Nur drei Männer stehen auf der Anmeldeliste. „Männer fehlen an der Basis“, stimmt Andrea Brückner zu. „Die Rinderklasse ist männerdominiert. Sehr stark sind sie auch beim Dressurspringen vertreten.“

Das Bild vom waghalsigen Cowboy, der mit dem Lasso Bullen einfängt, bleibt hier eine Fantasie. „Das ist Rodeo“, sagt Andrea Brückner. Ihr Blick wirkt auf einmal streng. „Das hat mit Westernreiten nichts zu tun.“ Die Kopfbedeckung jedenfalls hat man gemeinsam. Und doch können Agnes und Günter Hauptvogel unter all den Hutträgerinnen ihre Tochter erspähen. „Sie verleiht jetzt die Preise“, sagt Agnes Hauptvogel stolz.

Andrea Brückner geht schnell runter zur Jury. Bunte Schleifen gilt es zu verleihen. Maya Esser kann eine rote mit nach Hause nehmen. Der zweite Platz im Hindernisparcours Trail. Vor den Boxen sieht man, wie die Neunjährige freudig ihr Pferd umarmt. Shalan heißt das treue und geschickte Tier. „Ich sitze auf dem Pferd, seit ich zwei bin“, sagt die Schülerin aus Bergisch Gladbach. „Der Lohn sind Leckerlis, eine Schleife und ganz viel Applaus“, sagt Mutter Uli Esser. Der Reitsport liegt hier in der Familie. Den ersten Kontakt damit hat nun auch Schwester Lotta. Wenn auch auf ungewöhnliche Art und Weise. Die Einjährige beißt in einen Pferdeleckerli. Eines Tages werde auch sie reiten lernen, sagt die Mutter und lacht. „Wir arbeiten daran.“