Nach massiver Kritik NRW-Regierung rudert zurück: Booster-Impfungen nun nach vier Monaten „Mindestabstand“ möglich

Wann ist frühestens eine Booster-Impfung möglich? Die Landesregierung von NRW rudert nach heftiger Kritik von Virologen und Kassenärztlichen Vereinigungen zurück. Der Unterschied ist beträchtlich.

Beim Abstand der Booster-Impfungen rudert NRW zurück.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Nach massiver Kritik schränkt die NRW-Landesregierung die Möglichkeit von Booster-Impfung nur vier Wochen nach der letzten Spritze in einem neuen Erlass wieder stark ein. Bei den Auffrischungsimpfungen in kommunalen Impfzentren von Nordrhein-Westfalen ist ein Mindestabstand von vier Monaten zur Corona-Grundimmunisierung erforderlich. Das hat die Landesregierung in einem neuen Erlass für Impfangebote der Kreise und kreisfreien Städte festgeschrieben, der am Mittwoch bekannt wurde.

Im Rahmen der Impfangebote der Kreise und kreisfreien Städte werden demnach Auffrischungsimpfungen für Personen angeboten werden, bei denen die Grundimmunisierung fünf Monate zurückliege. „Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind jedoch nicht zurückzuweisen und ebenfalls zu impfen - sofern ein Mindestabstand von vier Monaten erreicht ist“, heißt es im Erlass des Gesundheitsministeriums.

Eine Impfung nach frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis sei ausschließlich „für immundefiziente Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort als Optimierung der primären Impfserie zu ermöglichen“, heißt es im Erlass weiter.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte noch am Tag zuvor bekräftigt, dass Booster-Impfungen in NRW grundsätzlich nach vier Wochen möglich seien. Dies sei zwar nicht als Empfehlung zu verstehen, betonte Wüst. Wer allerdings frühestens vier Wochen nach der Zweitimpfung zum Boostern komme, werde auch nicht weggeschickt. Experten hatten diesen Alleingang des bevölkerungsreichsten Bundeslandes kritisiert. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen teilte die Ansicht nicht. Auch im Landtag sorgte die Ankündigungen der Landesregierung bereits für heftige Kritik.

Der Oppositionsführer im Landtag, SPD-Landtagsfraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty, kritisierte die Vier-Wochen-Regelung in NRW zur Booster-Impfung als ein „kommunikatives Desaster“. Man werde einen „Run auf Impfeinrichtungen und Ärzte haben“, warnte Kutschaty, der auch SPD-Landeschef ist. Er fürchte „Vordrängler“ und „Ellebogen“. Außerdem sei es nicht angebracht, sich nach vier Wochen boostern zu lassen - wenn es nicht medizinisch notwendig sei.

Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie hatte kritisiert, vier Wochen nach der Zweitimpfung seien bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der Booster wirke dann viel schlechter. „Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen“, sagte Carsten Watzl (Dortmund), Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, am Dienstag. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern, beziehe sich nur auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die auf die ersten beiden Impfungen nicht oder kaum reagiert hätten, erklärte der Immunologe.

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk (Hannover), hält eine Verkürzung für falsch. „Aus immunologischer Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh“, sagte Falk. Das Immunsystem sei dann noch mit der „Reifung“ zugange. „Dabei werden vor allem die Antikörper noch einmal verbessert - wie bei der Reifung eines guten Weines“.

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein teilte am Dienstag mit, man halte eine generelle Verkürzung der Frist zum Boostern nicht für sinnvoll. Sofern das Gesundheitsministerium an seinem Erlass festhalte, betreffe dies daher nur die kommunalen Impfangebote, nicht die Arztpraxen. Für früheres Boostern müssten medizinisch individuelle Umstände vorhanden sein, welche die Abweichung rechtfertigen, begründete ein Sprecher auf Anfrage. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sieht „keinen Sinn“ in einer Auffrischungsimpfung vor Ablauf von mindestens vier Monaten.

(dpa)