Herr Bouchouchi, herzlichen Glückwunsch zur Vizeweltmeisterschaft der U21-Juniorinnen. Im Endspiel waren die Niederländerinnen mit 3:1 siegreich. Überwiegt der Stolz oder der Frust?
Feldhockey „Ohne Leidenschaft ist der Job des Bundestrainers nicht zu machen“
Der Düsseldorfer ist als Junioren-Bundestrainer und Sportlicher Leiter für die Entwicklung des Hockey-Nachwuchses zuständig
Juniorenhockey-Bundestrainer Akim Bouchouchi gewann jüngst mit den U21-Juniorinnen die WM-Silbermedaille. Zum Zeitpunkt des Interviews waren und er seine Familie auf dem Weg in den Urlaub.
Akim Bouchouchi: Das Ziel war, eine Medaille aus Südafrika mitzunehmen. Das ist uns gelungen. Vor allem, weil wir mit Argentinien den Titelverteidiger aus dem Turnier gekegelt hatten und seit langer Zeit mal wieder eine deutsche U21 im Finale war, können wir sehr zufrieden sein. Andererseits waren wir im vergangenen Jahr in den Aufeinandertreffen mit den Niederländerinnen auf Augenhöhe, sodass wir uns insgeheim mehr erhofft hatten. Je länger das Finale aber zurückliegt, desto mehr überwiegt der Stolz.
Welche Qualitäten hat diese Mannschaft, die andere deutsche U21-Juniorinnenteams in der Vergangenheit nicht hatten?
Bouchouchi: Das Team war auf hohem Niveau sehr ausgeglichen, sodass wir von Spiel zu Spiel taktisch variieren konnten. Vor allem war die Mannschaft sehr effizient in der Chancenverwertung.
Mit Sara Strauss, Lilly Stoffelsma, Lisa Nolte und Sophia Schwabe standen vier Düsseldorferinnen im Kader. Welchen Wert hatte dieses Quartett für den Erfolg?
Bouchouchi: Die vier sind auf jeden Fall große Stützen der Mannschaft. Das ist allein schon daran zu erkennen, dass Sara, Lilly und Lisa auch schon zur Damen-Nationalmannschaft eingeladen waren. Sophia hat dazu auch das Potenzial. Der Weg der vier ist sicherlich noch nicht zu Ende.
Sie sind Ur-DHCler. Ist es schwierig, sich als Bundestrainer von der emotionalen Bindung an den Klub zu lösen und Distanz zu halten?
Bouchouchi: Als Bundestrainer identifiziere ich mich zunächst mit meinen Spielern, mit denen ich zusammenarbeite, unabhängig vom Verein, in dem sie spielen. Ich trenne sehr genau zwischen meinem Beruf als Bundestrainer und meinem Privatleben, zu dem auch meine DHC-Vereinszugehörigkeit gehört. Hier trainiert meine ältere Tochter, hier sind viele meiner Freunde.
Ein Nationaltrainer bekommt aus den Vereinen „fertige“ Spielerinnen, muss nur noch für das Entertainment sorgen und stellt die Mannschaft auf – denken viele. Wie viel Arbeit steckt wirklich dahinter?
Bouchouchi: Meine Stelle ist ziemlich komplex. Ich bin ja nicht nur U21-Trainer, sondern auch noch Sportlicher Leiter für den kompletten weiblichen Nachwuchs im Deutschen Hockey-Bund. Ich entscheide mit, wer in die Nationalmannschaft kommt und begleite diese Spielerinnen dann, soll heißen: Ich achte etwa darauf, dass das Umfeld für die Spielerinnen stimmt, sie also entsprechend vom Verband und vom Verein unterstützt werden. Meine Arbeit besteht aus 70 Prozent Bürojob und aus 30 Prozent klassischer Trainerarbeit, bei der ich dann auch viel unterwegs bin.
Wenn man in Düsseldorf zu einem Hockeyspiel geht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, auf Akim Bouchouchi zu treffen.
Bouchouchi: So häufig ist das gar nicht der Fall. Leider. Um nahe am Geschehen zu sein, bin ich so oft es geht bei Hockeyspielen. Und da ich in Düsseldorf wohne, bieten sich die hiesigen Vereine an. Beim DSD unterstütze ich Tobias Bergmann als Co-Trainer der Herren – sofern es die Zeit zulässt. Das ist dann aber eher ein Hobby.
Würden Sie sich im positiven Sinn als hockeyverrückt bezeichnen?
Bouchouchi: (nach längerer Pause) Ich schaue meine Frau gerade an (beide lachen). Sie nickt. Wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, dann gibt es doch kaum etwas Schöneres. Ohne Leidenschaft ist auch der Job des Bundestrainers nicht zu machen, allein schon, weil es so aufwendig ist. Da muss man voll hinterstehen. Und so nimmt man dann auch Dinge in Kauf, die nicht immer Spaß machen. Ich mache den Job nach wie vor sehr gerne.
Die U21-Juniorinnen werden Vizeweltmeister und kaum jemand registriert das. Nervt das?
Bouchouchi: Die sozialen Medien waren während der WM doch sehr aktiv und standen im Austausch mit unseren Spielerinnen. Im Nachklang, finde ich, wurde unser Erfolg aber nicht so gewürdigt, wie er es verdient gehabt hätte. Schade.
Sie haben 2020 gesagt: „In manchen Techniken sind wir noch nicht so weit wie andere Nationen.“ Wo hinken die deutschen Frauen der Weltspitze – was identisch mit den Niederländerinnen ist – hinterher?
Bouchouchi: Ich möchte das Zitat doch etwas relativieren. Wir haben in den vergangenen Jahren in der Nachwuchsarbeit, vor allem über die Stützpunkte, einen großen Schritt nach vorne gemacht. Es gibt sogar einige Dinge, um die uns andere Nationen beneiden. Etwa Lösungen auf engem Raum, um sich aus kniffligen Situationen zu befreien. Alles, was das Tempospiel angeht, haben wir noch Baustellen, da sind uns etwa die Inderinnen und Argentinierinnen noch leicht voraus. Sehr zufrieden bin ich mittlerweile mit unseren Torschusstechniken, denn dort sind die Niederländer traditionell stark. Auch da müssen wir uns nicht zu verstecken.
Ist es überhaupt möglich, sich mit einem Land wie den Niederlanden zu vergleichen, wo Hockey einen weit höheren Stellenwert hat?
Bouchouchi: Wir müssen eine breitere Basis schaffen, indem wir etwa an die Schulen gehen und dort verstärkt Hockey-Angebote etablieren. Das könnte helfen, eine größere Akzeptanz für die Sportart zu erreichen. Darin sind die Niederländer uns meilenweit voraus.