Ausstellung „Heilung der Erde“ in der Kunsthalle Schamanen am Grabbeplatz

Düsseldorf · 50 Jahre deutsch-mongolische Freundschaft wollen gefeiert werden. Die Kunsthalle Düsseldorf gratuliert mit der Ausstellung „Heilung der Erde“. 2025 ist die Schau in Asien zu sehen.

 Ochirbold Ayurzana mit seiner Schädel-Installation „Jangar“.

Ochirbold Ayurzana mit seiner Schädel-Installation „Jangar“.

Foto: Kunsthalle/Katja Illner

Anfang der Neunziger landete Michael Jackson mit „Heal the World“ einen Megahit. Seinem Appell, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, war kein Erfolg beschieden. Jetzt ruft die Kunsthalle Düsseldorf zur „Heilung der Erde“ auf. Wie soll das gelingen? Vielleicht, indem wir von den Mongolen lernen? In diese Richtung zielt die aktuelle Gruppenausstellung, die Werke von 18 Künstlern vereint – zehn aus der Mongolei (drei davon leben hierzulande), acht aus Deutschland.

Dschingis Khan, an den jeder reflexartig denkt, wenn er das Wort „Mongolen“ hört, taugt in diesem Fall nicht als Identifikationsfigur. Der Begründer des mongolischen Reiches war ein waschechter Aggressor. Beim Ausstellungsmotto „Heilung der Erde“ standen andere mongolische Tugenden Pate: Naturnähe und eine tiefe spirituelle Verbindung zu Mutter Erde, die von Geistern durchwaltet ist. Das glauben viele Nomaden, die in den grasbewachsenen Steppen des dünn besiedelten ostasiatischen Landes zu Hause sind. Eine besondere Rolle in der traditionellen mongolischen Kultur spielt der Schamane – ein Vermittler zwischen materieller und geistiger Welt.

Deutsche Ausstellungsteilnehmer reisten in die Mongolei

So macht es Sinn, dass die von Gregor Jansen und Alicia Holthausen kuratierte Schau auch Joseph Beuys ins Boot holt. Bekanntlich sah er sich als Schamane im Reich der Kunst. Als zentralen Baustein dieser Inszenierung verbreitete Beuys die Legende, nach seinem Flugzeugabsturz auf der Krim (1943) hätten ihn nomadisierende Tataren mit tierischem Fett und Warmhalten in Filz gerettet – neuere Untersuchungen dagegen deuten darauf hin, dass er umstandslos in ein mobiles Militärlazarett gebracht wurde. Gleichwohl fühlte sich Beuys fortan in der „Inneren Mongolei“ (so der Titel einer Beuys-Ausstellung in der Kestner-Gesellschaft Hannover) so heimisch wie am Niederrhein.

Und was ist mit den Künstler-Schamanen von heute? Falls es sie noch gibt? Wer darüber mehr erfahren will, dem sei die Ausstellung in der Kunsthalle empfohlen. Ein dreiteiliges Projekt: 2025 wandert die Schau ins Dschingis-Khan-Nationalmuseum in Ulaanbaatar, Hauptstadt der Mongolei. Und schon in diesem Mai reisten drei der deutschen Ausstellungsteilnehmer – Claudia Mann, Thomas Stricker und Julian Westermann – für drei Wochen in die Mongolei, um vor Ort zu arbeiten und Tuchfühlung mit den Nomaden aufzunehmen.

Für Thomas Stricker hatte der Trip Züge eines Déjà-vu-Erlebnisses: Der in Düsseldorf lebende Schweizer Künstler bereiste die Mongolei bereits 1994. Seine damals entstandenen „108 Fragen an die Nomadin mit dem Gewehr“ (eine Installation aus Wachs, versehen mit Brailleschrift) bringt Stricker in der Kunsthalle mit neuen Arbeiten zusammen.

Obwohl es immer problematisch ist, Künstler über den Kamm ihrer Nationalität zu scheren, gewinnt man vor den Arbeiten der Kunstschaffenden aus der Mongolei den Eindruck, dass sie der Tradition ihres Landes deutlich stärker verpflichtet sind, als das bei den meisten ihrer deutschen Kollegen der Fall ist. So betont Munkhtsetseg Batmunkh mit ihrer dreiteiligen Textilarbeit „Father, Mother, Me“ die herausragende Stellung der Familie in der nomadischen Gesellschaft. Nomin Bold und Ochirbold Ayurzana konfrontieren uns mit einer Armada von Totenköpfen – für die beiden Künstler keine Vanitas-Symbole, sondern im Gegenteil Sinnbilder der Wiederauferstehung. Und Baatarzorig Batjargals Schamane mit Wolfskopf dockt zwar an magische Praktiken seiner Heimat an – doch wirkt die Figur wegen ihrer grellen Aufmachung wie ein Sendbote der Pop-Art.

Deutschland hier, Mongolei dort – schön und gut. Was aber, wenn man die ganze Welt in einem Kunstwerk erfasst? Nichts Geringeres ist Carmen Schaich gelungen. Mit ihrer Wandarbeit „Strange Love“ hat die Düsseldorfer Künstlerin das vielleicht eindrucksvollste Werk der Ausstellung geschaffen. Die Glasradierung auf Büttenpapier, mehr als fünf Meter lang, zeigt eine Weltkarte, deren Machart höchst ungewöhnlich ist. Schaich spannte eine große Anzahl von Gläsern in die Wand ein, um sie dann mit einer Steinschleuder zu beschießen. Allein durch dieses Scherbengericht zauberte sie in einem technisch aufwendigen Prozess die Form der fünf Kontinente hervor. Damit die wiedererkennbar sind, musste die Künstlerin ein halbes Jahr üben. In der Zeit hätte Dschingis Khan vermutlich gleich mehrere Länder erobert.