Premiere beim Asphalt-Festival Sinnsuche mit Klängen aus der Taiga

Düsseldorf · Das Asphalt-Festival zeigt die Produktion „Delphin oder im Freibad meiner Gefühle“. Das Publikum bleibt etwas ratlos zurück.

Szene aus der Produktion „Delphin oder im Freibad meiner Gefühle“.

Foto: Ralf Puder/Asphalt-Festival

Ein Festival, das nach Asphalt benannt ist, legt vermutlich besonderen Wert auf Bodenhaftung. Ein „theatraler Schwimmkurs“ ist da eher fehl am Platz. Doch dann kommt die Performance-Truppe Und Boris und Steffi daher und macht aus der Spielstätte 34 Ost eine riesige Wasserlache. Nicht ganz unkontrolliert, denn (noch) ist das Wasser in zahllosen 1,5-Liter-Plastikflaschen eingesperrt. Die wiederum von einer jungen Frau mit dem Gabelstapler auf Paletten angeliefert werden. Alles paletti?

Der vollständige Titel des Schwimmkurses zwischen Wasserflaschen und Asphalt lautet: „Delphin oder im Freibad meiner Gefühle“. Bereits im Vorfeld hat eine zweite junge Frau peinlich genau darauf geachtet, dass jede Zuschauerin und jeder Zuschauer mit einem zwölfseitigen Programm versorgt ist. Dessen letzter Satz lautet „Heute breche ich Licht“, illustriert mit dem Farbenspektrum eines Prismas der Sonne, wenn sie auf einen Wassertropfen trifft. Wer sich jetzt fragt, was das Ganze soll, hat den einstündigen Abend eigentlich schon gut verstanden. Denn auch Charlotte Kath in der sehr textlastigen Rolle einer Moderatorin weiß immer wieder nicht, wie es weitergehen wird: mit der Freizeitedition von „Find your hobby 24/7“ aus der Programmserie „Immer eine gute Party 24“.

Die Performance der Truppe, die ihre Premiere von zwei Wochen in Flensburg feierte, ist ein genau choreografiertes Nicht-Event. Das Publikum soll, natürlich nur als Gefühl, seine Bodenhaftung verlieren, dem Asphalt noch einmal zuwinken und dann vom Drei-Meter-Brett des Gabelstaplers in eine imaginäre Tiefe eintauchen. Wo man vielleicht auch Delfinen begegnet, falls die Lust haben auf „Find your hobby 24/7“. Inzwischen hat man verstanden, dass das Mineralwasser-Meer genauso wenig prickelnd ist wie das Geschehen im Foyer der Oststraße.

Zum Nachlesen hier eine kleine Textprobe: „Das Praktische am Turmspringen das geht schnell ne praktisch ein Sprung dauert genau ungefähr 1,64 Sekunden und ehm also die Zeit bis sich das Auge scharf stellt ne Akkomodationsreflex das sin allein 0,3 Sekunden und wir haben ja jetzt noch zwei Stündchen jetzt hier für den Kurs Turmspringen praktisch.“

Es passiert dann doch noch etwas im Wasserflaschenozean. Die Gabelstaplerfahrerin (Lisa Birke Balzer) schnappt sich ein Saxofon, ihr Kumpel Kalle Kummer packt seinen Synthesizer aus der Verpackung. Zusammen proben beide ein paar Taiga-Klänge. Als verzweifelt nach Sinn suchender Beobachter dieses Spektakels ist man dankbar für jeden Akkord. Und gerät ins Meditieren. Ist unsere Freizeitwelt mit Angeboten rund um die Uhr, neudeutsch „24/7“ wirklich so öde? Gehen wir baden mit unserer Unterhaltungssucht? Oder wollen uns Und Boris und Steffi etwas ganz anderes erzählen, was wir nur noch nicht verstanden haben?

Gerade jetzt, so etwa zehn Minuten vor Schluss, erfreut uns Charlotte Kath noch einmal mit einem schönen Satz: „Vertrauensvoll nuckele ich am Strohhalm meiner Unzulänglichkeiten.“

Dann ist ganz unvermittelt alles zu Ende. Dabei wären am Rande des Foyers noch weitere blaue Flaschenpaletten bereit, sich als Sixpacks über die Bühnenfläche ausbreiten zu lassen. Aber irgendwie ist die Luft raus. Da hilft auch ein schnell vorbeihuschendes Delfinbild nicht mehr.