Klettersport Kletter-Elite misst sich in Hilden
Hilden. · In der „Bergstation“ nahe des Bahnhofs sahen 500 Zuschauer die Wettkämpfe der Deutschen Meisterschaft.
Aus den Musikboxen hämmert der Elektro-Beat im regelmäßigen Rhythmus. Die Szenerie vor der Kletterwand ist in blaues Licht getaucht. Die Blicke der Zuschauer gehen immer wieder nach oben, denn in der Hildener „Bergstation“ ermitteln die besten deutschen Kletterer – 39 Herren und 31 Damen – ihren nationalen Meister. Für Justin Bohn und Marcel Buchmann ist es ein ganz besonderes Ereignis. Die beiden Geschäftsführer der noch jungen „Bergstation“ freuen sich, nach 2017 zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft im Lead in ihrem Kletterzentrum organisieren zu dürfen. Und der Trubel ist groß. Auch Hildens Bürgermeisterin Birgit Alkenings und Sportdezernent Sönke Eichner schauen vorbei, um einen Einblick in den Sport zu bekommen. „Inklusive der Helfer sind rund 600 Leute da – vielleicht 100 weniger als 2017“, sagt Bohn.
Um 14 Uhr startet das Halbfinale. Für die Zuschauer besonders reizvoll: Jeweils 26 Damen und Herren klettern diesmal parallel die Wand hoch, gleichwohl an verschiedenen Routen. Die Unterschiede erklärt Bohn. „Wenn man es ganz einfach ausdrücken will: Frauen mögen keinen Überhang, Männer keine Strecke – in dem Bereich ist mehr Balance als Kraft gefordert“, sagt er. Während also die Frauen auf ihrer Halbfinalroute vor allem mit dem Überhang kämpfen, müssen die Herren auf den ersten Klettermetern erst einmal eine wackelige Stelle meistern, ehe auch sie in luftigere Höhe kommen.
Ein Raunen geht durch die Menge, als Lina Himpel den Überhang meistert. 55 Sekunden bleiben ihr noch, um auch die letzten Meter zu absolvieren. Kurz vor dem Ende muss sie aber passen und fällt ins Sicherungsseil. „Eine ganz starke Leistung“, erklärt der Moderator via Lautsprecher. Einen Moment später gilt seine ganze Aufmerksamkeit Jakob Nibler, der nach der Hälfte der Strecke an einer schwierigen Stelle scheitert und ebenfalls vorzeitig auf den Boden muss. Besser läuft es da für Markus Jung, doch auch der Kölner schafft es nicht bis ganz nach oben. Dann aber brandet Beifall auf, denn irgendwie scheint Lucia Dörffel über die Kletterwand zu schweben. Jeder Griff und jeder Tritt sitzt – und dann hakt sie das Seil auch in die letzte Sicherung ein und vollendet innerhalb der vorgegebenen sechs Minuten den letzten Armzug zum Routengipfel. Danach schwingt sie locker am Seil zurück auf den Hallenboden. Während Dörffel damit ins Finale der besten acht einzieht, ist für Geburtstagskind Anne Gießel im Halbfinale Endstation.
Aufmerksamer Beobachter des Wettkampfs ist Maxi Klaus. Der Bundestrainer für Damen und Herren kann in Hilden nicht de gesamten Nationalkader in Augenschein nehmen. „Einzelne haben abgesagt. Es ist Saisonende und sie haben leichte Verletzungen“, erläutert er und ergänzt: „Der Kader ist immer offen für neue Leute, die sich empfehlen. Die DM ist dafür eine gute Gelegenheit.“ 20 bis 23 Sportler hat er insgesamt unter seinen Fittichen. Sie solten nicht nur bei Wettkämpfen in Deutschland überzeugen, sondern auch international starke Auftritte bieten. Nach Hilden kommt Klaus gerne, weil die Halle viele Möglichkeiten bietet und die Zusammenarbeit mit den Betreibern sehr gut ist. Was ist besonders wichtig beim Lead-Klettern? „Die Vielseitigkeit. Es geht nicht nur über Kraft, sondern mehr über Bewegung und Schnellkraft“, sagt er. Für den Bundestrainer sind die Titelkämpfe auch mit Blick auf Olympia 2020 interessant, denn bei den Herren gehen Yannick Flohé (DAV Aachen) und Jan Hojer (DAV Frankfurt am Main) an den Start. Beide Sportler kämpfen noch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Alexander Megos hat einen der zwei Startplätze bereits sicher, während Flohé und Hojer ihr Olympia-Ticket Ende November in Toulouse lösen wollen.
Hojer erreicht den Top-Griff
in weniger als drei Minuten
Bei der DM setzt Jan Hojer ein Ausrufezeichen. Als erster im Finale der acht besten Herren erreicht er den Top-Griff, und das in weniger als drei Minuten Kletterzeit. Christoph Hanke ist ebenfalls schnell unterwegs, scheitert aber kurz vor dem Gipfel, als er den Sprung zum finalen Griff nicht halten kann. Yannick Flohé zeigt bis in den oberen Wandbereich eine souveräne Vorstellung. Dann aber rutscht dem Essener unglücklich der Fuß weg – und damit ist der Gold-Traum beendet. Letztlich landet Flohé hinter Hojer und Hanke auf Platz drei.
Im Damen-Finale unterstreicht Lucia Dörffel ihre Top-Form. Die amtierende Deutsche Meisterin im Bouldern scheitert erst kurz vor dem Ziel beim letzten Sprung. Gleichwohl reicht der tolle Auftritt zum ersten Platz. Rang zwei belegt Roxana Wienand (DAV Aschaffenburg), gefolgt von Frederike Fell (DAV Freising), die im vergangenen Jahr den Titel im Lead holte, nun aber ihrer langen Verletzungspause Tribut zollen muss.
Für Maxi Klaus bringt die DM wichtige Erkenntnisse. „Bei den Herren haben wir mittlerweile Leute dabei, die an der Weltspitze mitklettern können. Bei den Damen sind wir im Lead in Deutschland aber momentan leider weit weg von der Weltspitze. Da hoffen wir auf die Nachwuchsathletinnen, die heute auch auf dem Podium standen“, lautet das Fazit des Bundestrainers.
Bundestrainer lobt die Hildener „Bergstation“ als Austragungsort
Er fügt noch ein Lob für die Hildener „Bergstation“ hinzu: „Grundsätzlich bin ich zufrieden mit dem Wettkampf, vor allem auch mit der Ausführung: Hilden ist jedes Mal wieder ein Highlight. Die Helfer bringen viel Engagement mit, um den Wettkampf und den Leistungssport allgemein zu unterstützen.“ Das lässt auf weitere Vorstellungen von Top-Athleten in der „Bergstation“ hoffen.