Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf Auseinandersetzung mit Krieg und Neuanfang
Düsseldorf · In der Kunsthalle zeigen die Bildhauerinnen Yael Efrati, Asta Gröting und Monika Sosnowska eine gelungene, beklemmende Schau.
Auf den ersten Blick erinnern Asta Grötings fünf wuchtige Arbeiten, die eigenwillig versetzt angeordnet im großen Saal der Kunsthalle hängen, ein wenig an Yves Kleins Schwammreliefs: abstrakte Bilder, aus denen sich wulstige Strukturen hervorwölben. Aber da sind auch seltsame Scharten und wellenartige Formen auf den hellen Flächen, und die Wülste sind ziegelrot. Tatsächlich entstammen diese Arbeiten, die Gröting „Mausoleum“, oder „Dorotheenstraße“ nennt, ihrer Werkreihe „Berlin Fassaden“. Sie sind nicht komponiert, sondern eine künstlerische Dokumentation von Geschichte, die sich in Architektur einschreibt.
Gröting hat Fassaden in Berlin gesucht, die in Form von Einschusslöchern und anderen Versehrungen deutliche Spuren des Zweiten Weltkriegs zeigen. Diese Mauern erfasst sie bildhauerisch mithilfe eines äußerst aufwendigen Verfahrens, indem sie von ihnen Silikonabformungen anfertigt und die ausgehärteten Abformungen auf Jute aufbringt. Die Abdrücke fangen in einer Art Langzeitbelichtung die Geschichte vom Moment der Einschüsse bis zur Gegenwart ein, denn die Silikonmasse nimmt neben den Einschusslöchern auch Dreck und Spuren von Graffiti an.
An der Wand hängen nun sozusagen Negative der Berliner Stadtgeschichte mit ihren tiefen Narben, die seit geraumer Zeit mehr und mehr geglättet und getilgt werden, wie die Künstlerin berichtet. Man finde heute immer weniger Kriegsspuren in den gentrifizierten Fassaden der Hauptstadt. In Grötings Arbeiten aber wird diese Geschichte bewahrt, die Bilder sind in ihrer rauen Qualität auf beklemmende Weise ästhetisch und brandaktuell, denn sie erinnern unwillkürlich an die Bilder der Ruinen des Ukraine-Kriegs.
Die Mitte des Raums dominiert Monika Sosnowskas Skulptur „Stairs“, eine monumentale Stahl-Treppe, die sich grotesk am Boden verrenkt und nirgendwo hinzuführen scheint. Die polnische Künstlerin setzt sich mit den Räumen und der Architektur der Wohnblöcke auseinander, die im Polen der 1960er- bis 1980er-Jahre im nüchternen Stil der sozialistischen Moderne gebaut wurden. Auch hier wird Geschichte lesbar, denn Sosnowska findet mit ihren beunruhigenden Deformationen Bilder für den Verfall und die Entwertung einer Architektur, die wenig menschenfreundlich und schon gar nicht nachhaltig ist.
Tel Avivs Stadtbild ist geprägt
von der Bauhaus-Architektur
Ihre Arbeit „Gate“ im ersten Stock ist ein Tableau irrwitzig verformter, auseinandergerissener Gitterstäbe; mit „Pillars“ ordnet sie aus groben Einzelteilen geschichtete Betonsäulen, aus denen struppig verdrehte Stahlträger herausragen, wie man sie auch von Bauruinen des Südens kennt.
Die jüngste der Künstlerinnen, Yael Efrati, bleibt in ihren Auseinandersetzungen mit Architektur bei fotografischer Genauigkeit: Ihre Arbeiten sind penible Rekonstruktionen sozialistischer Wohnbauten, wie sie in Israel in der Folge des Zweiten Weltkriegs für den Strom der Immigranten aus Osteuropa hochgezogen wurden. Dabei konzentriert Efrati sich auf einzelne Merkmale dieser Bauweise, ihre Arbeiten sind im Vergleich zu den monumentalen ihrer Kolleginnen eher zierlich und detailreich, aber historisch nicht minder brisant. Ist doch Tel Avivs Stadtbild wesentlich geprägt von der Bauhaus-Architektur, die dort heimisch wurde, nachdem das Bauhaus in Dessau in der NS-Zeit bereits 1933 geschlossen wurde und die verfolgten Künstlerinnen und Künstler nach Israel auswanderten.
Gegenüber von Asta Grötings Wandarbeiten hängt Efratis „Guano (Wall Piece)“, das eine für Tel Aviv typische weiße Hauswand zeigt, verdreckt vom Kot der Fledermäuse, mit wild darauf verlegten Klimaanlagen-Abflusskanälen, darunter ein Glasgefäß für das Kondenswasser, das für durstige Katzen gesammelt wird. Die Tel Aviver Katzen spielen auch im Obergeschoss eine Rolle. Auf mehreren Arbeiten Efratis fallen kleine, sorgfältig geschichtete Häufchen aus braunen Pastillen auf: Futter für die streunenden Katzen. Zugleich erinnern die Häufchen an die jüdische Tradition der gehäuften Steine auf Gräbern.
So zieht sich durch die überaus gelungene Ausstellung ein roter Faden: Von den Ruinen des Zweiten Weltkriegs in der heroisch-imperialen Architektur Berlins über die Architektur der kommunistischen Zeit in Osteuropa bis zur lässigen Tel Aviver Architektur, die dem Aufbau einer neuen Gesellschaft aus Vertriebenen diente. So arbeiten sich die Künstlerinnen aus drei schicksalhaft miteinander verbundenen Ländern letztendlich an den Folgen des Zweiten Weltkriegs ab und führen eindrucksvoll dessen Spätfolgen bis in die Gegenwart vor Augen.