Ausstellung in Düsseldorf Die Kunst der jüngsten Generation
Düsseldorf · Analyse Wie sehr sich Malerei, Skulptur und Installation verändern, zeigt sich bei den Rundgängen und den aktuellen Ausstellungen der Absolventinnen und Absolventen in der Akademie-Galerie am Burgplatz. Klima- und Genderfragen stehen zentral, die neuen Medien sind gefragt.
Die Zeit, da man Malerei, Skulptur und Objektkunst in Stilrichtungen einteilte und von einem Stil zum nächsten eilte, ist vorbei. Die Konzeptkunst, die in den 70er-Jahren den Ton angab, hat ebenso ausgedient wie die wilde Malerei der 80er-Jahre oder die dokumentarische Fotografie der Becher-Klasse. Die Skulptur, die an der Eiskellerstraße einst mit Stars wie Katharina Fritsch, Tony Cragg und Richard Deacon den Ton angab, ist mitsamt dem dreidimensionalen Körper verschwunden.
Das neue Denken geht eher vom Sozialen, von Klima- und Genderfragen aus. Wie sehr sich die Kunst ändert, zeigt sich bei den Rundgängen und den aktuellen Ausstellungen der Absolvierenden in der Akademiegalerie am Burgplatz.
Beim letzten Rundgang vor einigen Monaten wirkte die Kunstakademie wie ein Pulverfass. Die Studierenden benutzten ihre gebauten Objekte nur noch, um darin zu turnen und spektakuläre Performances zu präsentieren. In einer Bildhauerklasse ging es nicht mehr um die Figur. Vielmehr trat eine Akteurin im äußerst knappen Bikini auf und stellte sich selbst aus. In anderen Klassen spielte der Computer eine große Rolle, besitzt doch die jetzige Generation einen anderen Umgang mit dem Virtuellen.
Zum Erstaunlichen gehörte allerdings auch, mal eben sein Geschlecht zu ändern. Wir stießen auf junge Männer, die wir noch als junge Frauen kannten, und umgekehrt. Die neue Freiheit führt zu einem neuen Körpergefühl, ausgelöst teilweise durch die Corona-Pandemie, wo man mangels Außenkontakten auf den eigenen Körper angewiesen war. Da die Studierenden zugleich aus ganz unterschiedlichen Kulturen kommen, ist die Kunstakademie längst zur Versuchsanstalt geworden, in der junge Leute neue Dinge ausprobieren und alte Erfahrungen kritisch betrachten. An einigen Beispielen lässt sich das aktuell in der Galerie am Burgplatz gut beobachten.
Danach zu urteilen, wächst das Interesse an ökologischen und biologischen Fragen. Melanie Costa Loureiro, die bei vier Professoren an zwei Hochschulen studiert hat, ist eine glanzvolle Malerin. Ganz typisch ist ihre Passionsblume in exotischen Farben, die sie sehr individuell interpretiert, indem sie die „Selbstverteidigung der Blume“ in den Fokus stellt. Sie erklärt, wie durch kleine Punkte auf der Blütenkrone die Pflanze die Schmetterlinge abwehrt, damit sie keine Eier legen, aus denen Raupen schlüpfen, die die Blüte fressen könnten.
Die Meisterschülerin ist begeistert von diesem Trick der Pflanze, die ohne Augen Insekten abwehrt. Auch sie liebt im eigenen Stil die Raffinesse, malt farbenfroh, exotisch, überdeutlich und übergroß, als müssten wir als Betrachter in den Erdboden schrumpfen.
Klimafragen lassen sich mit einem recycelten Material lösen. Sophie Isabel Urban fällt durch eine experimentierfreudige Arbeit auf, die sich kaum einordnen lässt. Ihre samtenen Radierungen wirken malerisch im pudrigen Schwarz. Dafür nimmt sie keine Zinkplatte, sondern das billige Tetrapak als Meterware. Sie ritzt es ein und trägt mit dem Pinsel eine Paste aus Acrylfarbe, Leim und Metallschleifsand auf. Die kleinen Metallsplitter im Sand bleiben dank der Acrylfarbe kleben und bewirken das malerische Endergebnis. Die Druckgrafik, eine fast vergessene Technik, kommt in dem Material für Getränkekartons prächtig zur Wirkung.
Die neuen Medien sind beliebt, auch wenn sie noch vor zehn Jahren in vielen Klassen der Akademie in den Kinderschuhen steckten. Bei der Skulptur von Natalia Drabik spürt man den Kampf um die Form. Sie hat aus der Erinnerung eine Hockende mit rundem Gesäß geschaffen, eingescannt, verändert und digital wachsen lassen. Immer wieder habe sie den 3D-Druck modelliert, bearbeitet, fotografiert, gescannt und schließlich mit Wachs poliert. Noch jetzt scheint die Figur im Prozess des Werdens begriffen zu sein.
Artiom Miziouk ist um einiges weiter. Er arbeitet mit Kompositionsmaschine, Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und Projektor, um den schmalen Grat der Schönheit zu erhaschen.
Die Skulptur aus Stein oder Holz ist kaum noch gefragt. Wer will schon ein Jahr damit verbringen, einen Basalt in Form zu bringen? Emil Walde greift gleich zu einer vorgefundenen Kapsel aus Fiberglas, die sich verändern lässt. David Mergelmeyer verschnürt und verfremdet Synthetikstoff und Füllwatte mit Seilen, als wolle er böse Geister bannen.
In diesem Auf und Ab der Stile und Thesen gibt es dennoch auch weiterhin die Zeichnung, die unaufgeregteste und privateste aller künstlerischen Äußerungen. Wie leichtfüßig, humorig und wolkig sind die fliegenden Pinselstriche von Sonja Hendricks oder die grafischen Silhouetten von Andrea Marcelliers, deren menschliche und tierische Figuren auf der Wäscheleine wie die Episode aus einem Zeichentrickfilm wirken.