Düsseldorfer Hauptbahnhof Wie sicher ist das Warten am Gleis?
Düsseldorf · Zuletzt häufen sich Unfälle an Bahnhöfen in NRW, bei denen Menschen von der Bahnsteigkante stürzen und von Zügen erfasst werden. In Köln endete ein Vorfall sogar tödlich. Das wirft die Frage auf: Wie steht es um die Gefahren in Düsseldorf?
Freitagnachmittag am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Es herrscht Rushhour, die Hauptverkehrszeit für Berufspendler und Wochenendschwärmer. Auch diesmal warten wieder dutzende Menschen an den Gleisen 15 und 16 auf die Einfahrt der Züge. Mehrere Regionalexpresse und auch Fernverkehrszüge steuern den Bahnsteig an. Die Menschen stehen dicht gedrängt, vor allem an den Aufgängen haben sich Trauben gebildet. Ein DB-Mitarbeiter in grüner Weste versucht, die Gruppen per Ansprache zu entzerren. Denn das Gedränge am Bahnsteig ist gefährlich – das zeigen nicht zuletzt drei tragische Unfälle, die sich Ende Oktober an den Hauptbahnhöfen Essen, Düsseldorf und Köln ereignet haben.
In allen drei Fällen waren Menschen von der Bahnsteigkante ins Gleisbett gestürzt, wurden dort von einem Zug erfasst und erlitten teils schwerste Verletzungen. In Köln endete ein Sturz sogar tödlich. Aufnahmen der Videoüberwachung haben ergeben, dass der Mann am Gleis entlang gerannt und dabei mit einem anderen Reisenden zusammengestoßen war. Ein Unfall. Aber einer, der die Frage aufwirft: Wie sicher ist das Warten am Gleis?
Doris Lang und Jutta Fritsche-Schäfer jedenfalls sind vorsichtiger geworden. Sie haben von dem Vorfall in Köln gelesen. „Seitdem trete ich lieber noch einen zusätzlichen Schritt hinter die weiße Linie zurück“, sagt Lang. Die schraffierte, sichtbare Markierung kennzeichnet den Sicherheitsabstand von 85 Zentimetern bis zur Bahnsteigkante. Dieser soll vor allem vor der Sogwirkung einfahrender Züge schützen. Daneben weisen Warnschilder, zyklische Durchsagen und die Hausordnung auf das richtige Verhalten im Bahnhof und die Sicherheit am Bahnsteig hin, teilt die Deutsche Bahn mit. „Nur halten sich viele Leute nicht daran“, sagt Fritsche-Schäfer.
RRX-Ausbau: Bahn plant Umbauarbeiten am Hauptbahnhof
In Japan, berichten die beiden von Reiseerlebnissen, sei das anders. Dort trennen Sperrvorrichtungen das Gleis und den Bahnsteig, deren Schranken sich erst öffnen, wenn der Zug mit seinen Türen genau vor den Öffnungen zum Halten gekommen ist, voneinander. Das funktioniere „phänomenal“, schütze vor Stürzen und entzerre das Gedränge. „Die Leute wissen genau, an welcher Stelle sie am Bahnsteig auf den Einstieg warten müssen.“
Eine Lösung, die in Deutschland nicht umsetzbar ist, wie ein Sprecher der Bahn erklärt. Das habe mit dem Mischverkehr und der Öffnung der Schienenwege für den freien Markt zu tun. Da – wie im Falle der Gleise 15/16 am Düsseldorfer Hauptbahnhof – Fern- und Nahverkehrszüge mitunter vom gleichen Bahnsteig abfahren, unterscheiden sich die Abstände zwischen den Zugtüren je nach Modell. Zudem setzen Wettbewerber wie National Express oder Regio-Bahn ebenfalls teils unterschiedliche Zugtypen auf ihren Linien ein. Eine einheitliche, bauliche Lösung am Gleis dafür zu schaffen, sei nicht möglich.
Auch ohne solche Sperren stuft der Fahrgastverband Pro Bahn die Sicherheitslage am Hauptbahnhof noch als „in Ordnung“ ein. Die Bahnsteige in Düsseldorf seien größer dimensioniert als in Köln oder in anderen Hauptbahnhöfen, sagt Sprecher Andreas Schröder. Und in der Regel seien Fahrgäste am Bahnsteig aufmerksam für die Gefahren, das würde die Statistik der Unfallzahlen belegen. „Viel häufiger passieren Unfälle bei Zusammenstößen mit Straßenbahnen auf offener Straße oder an Schrankenanlagen, wo jemand ein Signal missachtet.“
Nachholbedarf sieht der Verband bei den Treppenaufgängen, in deren Bereich der restliche Bahnsteig sehr eng wird und die Menschen sich knubbeln. „Ein Vorschlag wäre, dass eine weitere Passage im Hauptbahnhof geöffnet wird, etwa ein Süd-Gepäcktunnel, oder eine Hochanlage mit weiteren Treppen, durch die Fahrgäste Ost-West-Durchkreuzungen vom Bahnhof machen können“, sagt Schröder. Auch Kontrollbarrieren direkt vor den Bahnsteigen, ein Vorbild aus den Niederlanden, seien eine Idee. Dann erhalten nur Fahrgäste Zugang zum Bahnsteig, die auch ein Ticket für den Zug besitzen.
Zwar plant die Bahn im Zuge des RRX-Ausbaus zahlreiche Umbauarbeiten am Düsseldorfer Hauptbahnhof. So sollen einige Bahnsteige verlängert und mit Gleis eins ein völlig neuer Bahnsteig gebaut werden. Kontrollbarrieren oder andere Sicherungsmaßnahmen sind aber nicht Teil der Planung. „Bahnhöfe sind zugänglich für alle, nicht nur für Reisende. Geschäfte und Dienstleistende profitieren vom freien Zugang“, sagt ein Bahnsprecher. Wie die Sicherheit am Bahnhof erweitert werden könnte, werde allerdings gemeinsam mit der Bundespolizei im „Forschungsvorhaben Sicherheitsbahnhof“ am Berliner Südkreuz erprobt.
Unter anderem wurden dort zuletzt leuchtende LED-Bahnsteigkanten getestet, die die Aufmerksamkeit bei Fahrgästen erhöhen sollen. Auch eine sensorgestützte Tunnelüberwachung, die das Betreten von Menschen in Eisenbahntunneln melden, wurde bereits in einer Pilotphase eingeführt. Dabei soll Künstliche Intelligenz die Unterscheidung von Personen und anderen Objekten ermöglichen. Bei beiden Vorhaben ist die Testphase mittlerweile abgeschlossen. Die Ergebnisse und erste Kundenrückmeldungen seien „vielversprechend“.