255 Freier mussten zahlen

Die Präsenz wurde im vergangenen Jahr erhöht. Störungen für die Anwohner gehen zurück, die Freier aber bleiben.

Düsseldorf. Der Mann hatte für wenige Euro Sex gehabt. Auf dem Drogenstrich an der Charlottenstraße. Jetzt soll er dafür 273,50 Euro Bußgeld zahlen. Kein Problem, das Geld hat der Freier. Seine Sorge: Die Ehefrau darf den Bußgeldbescheid bloß nicht in die Hand bekommen. Persönlich will er den Anhörungsbogen beim Ordnungsamt abholen.

„Ich habe ihn gefragt, ob er sich nicht eher darum sorgt, dass die Prostituierte Aids und Hepatitis C hat“, sagt Holger Körber, Leiter des Ordnungsdienstes. Er kann nur hoffen, dass die Frau den Brief eben doch findet. Damit sie vor den gefährlichen Eskapaden ihres Mannes gewarnt ist.

Laut Michael Zimmermann, Leiter des Ordnungsamtes, ist der Straßenstrich an der Charlottenstraße schon aus Vorkriegszeiten überregional bekannt. „Ich mache mir keine Illusionen, dass wir den Strich jemals verschwinden lassen können“, sagt Zimmermann offen. „Aber für die Anwohner ist die Situation dort sehr belastend, wenn wir nichts tun.“

So gebe es Freier, die 40 Runden um den Block führen, bis sie mit einer Prostituierten einig über den Preis sind. Junge Frauen, die an der Charlottenstraße wohnten, würden zum Teil aggressiv von Männern belästigt. „Das können wir nicht hinnehmen.“

Das Ordnungsamt hat seine Präsenz im Sperrbezirk im vergangenen Jahr daher verstärkt. 2400 Kontrollen gab es 2009, jetzt waren es 3800. Auch die Zahl der erwischten Freier, die das hohe Bußgeld zahlen müssen, stieg von 75 auf 255. Zusammen mit der Polizei seien zum Teil sogar Straßensperren errichtet worden, um den Freierstrom zu unterbrechen. Mit Teilerfolgen: „Die Beschwerden von Anwohnern sind deutlich zurückgegangen“, sagt OSD-Chef Holger Körber. Die Nachfrage der Freier indes sei unverändert hoch.

Die Freier stehen im Fokus der Arbeit von Polizei und Ordnungsamt. Es handele sich zumeist um Männer, die sich durchaus ein legales Bordell leisten könnten. „Angesehene Bürger dieser Stadt“, sagt Körber.

Aber sie steuerten nicht umsonst den Drogenstrich an, wo sich schwerkranke Frauen anbieten. Zimmermann: „Da sind Personen unterwegs, die dieses Elend als Kick empfinden.“ Und es ausnutzen in dem Glauben, die abhängigen Prostituierten wehrten sich gegen perverse Praktiken nicht und erstatteten im Falle einer Vergewaltigung keine Anzeige.

Holger Körber berichtet von einem Fall, in dem OSD-Mitarbeiter dem Auto eines Freiers an den Stadtrand folgten, um ihn zu überführen. „Vor Ort kam uns die Prostituierte aus dem Gebüsch schreiend entgegengelaufen. Diese Frauen sind massiver Gewalt ausgesetzt — mit Sicherheit.“ Ordnungsamt und Polizei werden so oft genug zu den Rettern der Frauen, deren illegales Geschäft sie unterbinden müssten. „Das ist ein Spagat“, sagt Zimmermann.

Dieser gelingt den Ordnungsbehörden inzwischen recht gut, sagt Marita Wenzel vom Trebecafé an der Kölner Straße. „Wir haben gemeinsam gelernt.“ Die meisten der Prostituierten hätten Gewalt, Missbrauch und Unterdrückung seit frühester Kindheit als Normalität kennen gelernt. Dass es wichtiger sei, Vertrauen herzustellen, als sie mit Druck zum Ausstieg bewegen zu wollen, habe sich als Erkenntnis durchgesetzt.

Und manchmal gibt es diese Lichtblicke wie vor einigen Jahren, als eine Mittzwanzigerin mit strahlendem Kind auf dem Arm plötzlich im Trebecafé stand. Die Frau war von ihrem Vater jahrelang missbraucht worden, riss aus, war mit zwölf, 13 Jahren abhängig und ging auf den Strich. Marita Wenzel vermittelte sie in eine erlebnispädagogische Maßnahme nach Spanien. Die junge Frau hat es geschafft — ein normales Leben. Ohne Gewalt. Aber sie ist eine von sehr wenigen.