630 Mütter finden keine Hebamme

Während sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen verschlechtern steigt die Zahl der Geburten in Düsseldorf.

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Der Mangel an Hebammen nimmt auch in Düsseldorf immer größere Ausmaße an. In 630 Fällen konnte die Hebammenzentrale im vergangenen Jahr keine Hebamme zur Geburtsnachsorge vermitteln. Hintergrund: Während sich die beruflichen Rahmenbedingungen für Hebammen deutlich verschlechtert haben, verzeichnet Düsseldorf Jahr für Jahr einen neuen Geburtenrekord. Knapp 9000 Kinder kamen 2016 in der Stadt zur Welt.

Auf eine lange Suche nach einer Hebamme machte sich etwa Anna Ickert. „Gerade beim ersten Kind möchte ich jemand haben, der mir beispielsweise bei Stillproblemen zur Seite steht.“ Dass es schwer ist, eine Hebamme zu finden, sei Ickert klar gewesen. Nicht aber, dass sie monatelang vergeblich ihre Freizeit für Telefonate, E-Mails und Formulare opfern musste. „Ich habe in der neunten Schwangerschaftswoche angefangen mit der Suche, bei der Hebammenzentrale angefragt, im Internet recherchiert, bei Kontakten von Freundinnen und Krabbelgruppen nachgehakt. Nichts zu machen“, sagt sie.

Anna Ickert ist nicht die einzige werdende Mutter, die trotz frühzeitiger Suche viele Wochen zittern muss. „Der Mangel an Fachkräften spitzt sich immer weiter zu“, sagt Meike Kemnitz von der Hebammenzentrale. „Bei der Nachsorge gibt es immer mehr Probleme. Mindestens zehn Prozent der Frauen finden weder über uns noch über andere Wege jemanden und müssen alleine klar kommen. Oder ihnen bleibt nur der Gang zum Arzt.“

In Düsseldorf seien Stadtteile mit vielen jungen Familien besonders betroffen, aber auch solche, in denen wenige Hebammen tätig sind. Sie arbeiten wegen der Anfahrtszeit nur in einem gewissen Radius, sind daher in bestimmten Gegenden besonders schnell ausgebucht, sagt Kemnitz. „Das heißt aber nicht, dass es in anderen Stadtteilen einfach ist.“

Teils geben die Frauen ihren Beruf auch gleich ganz auf. Ein Grund dafür seien die Versicherungsbeiträge, die in den letzten Jahren stark angestiegen seien. „Niedriges Gehalt und hohe Kosten, schlechte Arbeitszeiten teils mit 24-Stunden-Bereitschaft und dann noch schlechte Bedingungen am Krankenhaus — viele machen das nicht mehr mit und satteln um“, sagt Isabelle Rosa-Bian. Sie arbeitet für das bundesweite Netzwerk der Geburtshäuser. „Große Probleme gibt es auch bei Nachwuchskräften.“

In anderen Städten sei das bereits der Fall: „Kleine Kliniken haben aus Kostengründen Kreißsäle geschlossen. Häuser in Duisburg und Oberhausen leihen sich Hebammen aus Düsseldorf, damit bei Geburten die Versorgung sichergestellt ist.“ Ansonsten sei es kein Einzelfall mehr, dass Hebammen zwei Geburten zeitgleich betreuten. Dass es anders geht, machen andere Länder vor. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags betreut eine Hebamme in Deutschland pro Jahr knapp 100 Geburten. In Großbritannien und Norwegen sind es dagegen 33.

Ein weiteres Problem für Eltern, die eine Hebamme zur Nachsorge suchen: Viele Hebammen arbeiten nur noch als Angestellte in Krankenhäusern und kaum noch zusätzlich in der Nachsorge. Denn auch dafür müssen sie extra Versicherungsbeiträge zahlen. Den Eltern soll dann bei Problemen der Arzt helfen.

Für Jana Müller, die ihren richtigen Nahmen nicht in der Zeitung lesen möchte, keine Option. „Eine Hebamme weiß doch am besten, was ganz konkret in meinem Fall zu tun wäre.“ Aus ihrer Sicht ist eben die Hebamme die kundigere Expertin für Fragen zum Stillen Sie hat schon in der dritten Schwangerschaftswoche mit der Suche angefangen — und erst jetzt, nach Monaten, jemand gefunden. „Je nachdem, wann mein Kind kommt, kann es zwar sein, dass meine Hebamme dann gerade im Urlaub ist. Aber besser als nichts.“

Auch Anna Ickert ist mittlerweile fündig geworden. „Ich mache drei Kreuze“, sagt sie. „Und ich bin erleichtert, dass ich eine leichte Schwangerschaft habe und zur Vorsorge keine Hebamme brauche. Dafür noch jemand zu finden — unmöglich“, sagt sie.