Abraxas Abgesang auf ein Stück Kneipenkultur

Das Abraxas ist nach 30 Jahren Geschichte. Für den toten Wirt Gerd Thiele spielen seine Künstler ein letztes Konzert.

Abraxas: Abgesang auf ein Stück Kneipenkultur
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. „Noch lange arbeiten zu können und dann rechtzeitig in Frieden zu sterben, ohne andere Menschen zu belasten“, antwortete Gert Thiele der WZ vor sechs Jahren auf die Frage, welche Träume er noch habe. Auf tragische Weise endete jetzt das Leben des 62 Jahre alten Gastronomen. Ende Mai hätte er seine Kult-Kneipe Abraxas an der Merowinger Straße aufgeben müssen. Wenige Tage vorher nahm sich Thiele das Leben, seine Freundin überlebte. „Sein letzter Wunsch war ein Abschiedskonzert“, sagt Mike Gromberg, der mit seinem Duo Kowalsky regelmäßig im Abraxas spielte und eng mit dem Wirt befreundet war. Eine ganze Reihe Künstler haben sich am Samstagabend angekündigt, um im Krokodil an der Ahnfeldstraße eine Abschiedsparty zu feiern.

Sein kleines „Hexenhäuschen“ nannte Thiele die Kneipe, die gerade mal 40 Quadratmeter groß und immer schummrig war. Dutzende kleine Hexen baumelten von der Decke, viele davon Geschenke von Gästen. Musik kam traditionell nur von der Kassette oder echtem Vinyl.

Wer ins Abraxas kam, konnte oft besondere Abende erleben. Mal stieg eine Überraschungs-Party, manchmal wurde an der Theke leidenschaftlich über Politik gestritten oder es gab Kleinkunst. „Das Abraxas war der ideale Ort, um etwas Neues auszuprobieren“, so Gromberg. Für die Künstler war Gage reine Glückssache — wenn niemand kam, dann gab es auch nichts. Aber wer in der Kult-Kneipe auftrat, nahm das Risiko gern in Kauf.

Überregional bekannt war das Szene-Lokal für seine exzellenten Whiskeys. Rund 120 verschiedene Sorten hatte Gert Thiele im Regal. Im internationalen Whiskey Guide für Deutschland werden in Düsseldorf gerade mal zwei Locations gelistet: das Abraxas und die Capella-Bar im Breidenbacher Hof. Jetzt ist nur noch eine übrig.

Thiele war alles andere als ein moderner Gastronom. Bei Fußball-Weltmeisterschaften erklärte er sein Abraxas zur WM-freien Zone.. „Fußball ist im Abraxas ein virtuelles Thema. Man kann über ihn reden, ihn aber nicht sehen“, kommentierte das der Chef damals.

Schwierige Zeiten hatte das Abraxas zu überstehen. Ein Jahr lang durfte in der Whiskey-Bar kein Alkohol ausgeschenkt werden, weil Thiele nach Problemen mit dem Finanzamt keine Schankerlaubnis hatte. Die zwölf Monate überstand er, doch zuletzt geriet er in immer größere finanzielle Schwierigkeiten.

„Wir haben mit dem Nachlassverwalter gesprochen. Der Vermieter hat das wohl sehr lange toleriert“, erzählt Gromberg. Doch dann wurde der Pachtvertrag nicht mehr verlängert, Ende Mai hätte Thiele endgültig schließen müssen. Gromberg: „Er hat dann angefangen, Sachen zu verschenken.“ Trotzdem kam die Nachricht von dem Suizid für Freunde und Künstler völlig überraschend.

„Vom Nachlassverwalter haben wir erfahren, dass es einen Abschiedsbrief gibt. Gerd hat sich ein Konzert gewünscht“, sagt der Kabarettist, Autor und Musiker. Das findet nun am Samstag ab 20 Uhr im Krokodil statt, weil das Abraxas nicht mehr zur Verfügung steht. Neben dem Duo Kowalsky sind Ingrid Schlüter, Jens Thomas, Anselm Klatt, Harry Michael Liedtke, Thomas Blunk, Norman Meier, Bernd Birkel und Sabine Müller dabei. Am Ende geht der Hut rum, der Erlös geht dann an den Nachlassverwalter.