Justiz Axt-Angriff in Düsseldorf: Amokläufer will Stimmen gehört haben
Vor einem halben Jahr greift ein Amokläufer im Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einer Axt wahllos Menschen an. Nun gibt ein Psychiater Einblick in die Gedankenwelt des Beschuldigten.
Düsseldorf. „Oh mein Gott, der hat eine Axt in der Hand!“ Mit einer Handy-Kamera filmt ein Passant einen Mann an Gleis 13 des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, wie er mit der Axt scheinbar suchend über den Bahnsteig schlendert und plötzlich losrennt. Ein Beobachter der gruseligen Szene brüllt laut los, um die Passanten in der Nähe zu warnen. Ein lauter Alarmton gellt dabei bereits durch den Bahnhof. Es ist der 9. März 2017, 20.54 Uhr. Der Amokläufer hat seine Axt ausgepackt und das in die Tat umgesetzt, was ihm wohl Stimmen in seinem Kopf befohlen haben. Am Dienstag zeigt das Landgericht in Düsseldorf die Aufnahmen im Gerichtssaal.
Bei dem Mann mit der Axt soll es sich um Fatmir H. (36) aus dem Kosovo handeln, seit 2010 in Deutschland. Nun sitzt er - unter dem Einfluss starker Medikamente - apathisch auf der Anklagebank. Schon in seiner Heimat habe der diese Stimmen gehört, sich verfolgt gefühlt und sei deswegen auch nach Deutschland gekommen, berichtet der Psychiater, der ihn untersucht und stundenlang mit ihm gesprochen hat. Der 36-Jährige selbst schweigt beim Prozessauftakt.
Ärzte hatten dem Beschuldigten schon vor dem Amoklauf Schizophrenie attestiert und ihm Medikamente verordnet. Das Attest mit der Diagnose der tückischen Krankheit findet sich später in seiner Wohnung. Doch die Stimmen im Kopf, die ihm einflüstern, jemand wolle ihn töten, sie verschwinden nicht. Und so habe er die Medikamente drei Tage vor der Tat abgesetzt, um wacher zu sein und nicht so betäubt im Fall des Mordanschlags, mit dem er jederzeit gerechnet habe.
Bei der Polizei habe er noch um Schutz und Hilfe gebeten, weil er verfolgt werde: „Die Polizistin hat mich aber nicht verstanden und nach Hause geschickt. Ich sollte mich melden, wenn irgendetwas ist“, so erzählt er es später dem Gutachter. Auch seinem Bruder berichtet er, dass er sich verfolgt fühlt.
Er habe sich die Axt gekauft, um sich zu verteidigen, berichtet der Kosovare dem Gutachter. Aber dann hätten ihm die Stimmen gesagt, er solle die Passanten angreifen, damit die Polizei ihn endlich erschieße und so seinem Leiden ein Ende setze. Er könne sich noch daran erinnern, wie er auf die Menschen eingeschlagen habe, auch auf einen, der schon am Boden lag.
Aber die Polizei habe ihn nicht erschossen. Er sei deshalb von einer Brücke gesprungen, um seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, sagt er bei seiner Untersuchung. Weil die Polizei zunächst einen Terroranschlag nicht ausschließen kann, wird Großalarm ausgelöst. Überwachungskameras zeigen, wie schwer bewaffnete Polizisten auf den Bahnsteig stürmen. Der Hauptbahnhof wird abgesperrt, Hunderte Reisende sitzen in den Zügen fest, die verriegelt werden.
Derweil liegt Fatmir H. schon mit gebrochenen Knochen auf der Fahrbahn einer Eisenbahn-Unterführung nahe des Hauptbahnhofs. Insgesamt zehn Verletzte, das ist die Bilanz der brutalen Attacke. Opfer schweben mit Schädelbrüchen und gebrochenen Halswirbeln in akuter Lebensgefahr. Durch den Hauptbahnhof zieht sich eine Blutspur.
Staatsanwalt Martin Stücker wirft dem Beschuldigten in dem sogenannten Sicherungsverfahren versuchten Totschlag in acht Fällen vor. Er soll unbefristet in der geschlossenen Psychiatrie bleiben. Inzwischen werde der 36-Jährige von einer neuen Wahnvorstellung geplagt: Ärzte wollten ihn durch eine Spritze in den Rücken lähmen.