Männerschönheit Was man in Düsseldorf beim Barbier alles machen lassen kann
Düsseldorf · In Düsseldorf gibt es rund 20 Barbershops. Was passiert da eigentlich? Wir haben Barbier Simo Aamalki besucht und ihm bei seiner Arbeit über die Schulter geguckt.
Zeitreisen sind ja eher etwas für das Science-Fiction-Genre. Diese Geschichte handelt jedoch von einem Barbershop in Friedrichstadt. Ein Widerspruch? Mitnichten. Denn ein Besuch beim Barbier Simo Aamalki fühlt sich schon ein wenig wie die Reise in ein vergangenes Jahrzehnt an.
Das fängt schon beim Interieur seines Salons, den er 2016 an der Bilker Allee eröffnete, an. Das markanteste Objekt: ein altes Motorrad der Marke Simson aus den 1960er Jahren, das im Schaufenster steht. Auch Simo, der mit seinem Outfit (dunkelblaue Anzughose, dazu die farblich passende Weste und Krawatte samt Melonenhut) beinahe selbst als britischer Gentleman der „Sixties“ durchgehen könnte, fügt sich nahtlos in das nostalgische Gesamtbild ein.
Er selbst hat sein Handwerk bei seinem Onkel in einem traditionellen Salon in Casablanca gelernt. Sein Credo: Eine gute Rasur braucht Zeit und vor allem Ruhe. Bis zu einer Stunde kann ein Termin bei ihm dauern.
So wie bei seinem Stammkunden Marco Gutierrez. Der 48-Jährige möchte seinem langen, grau melierten Vollbart gerne eine neue Form verpassen. Er ist demnächst auf einer Hochzeit eingeladen, erzählt er, während Simo seinen Kunden von allen Seiten mustert. „Das kriegen wir hin“, sagt er lächelnd und wirft Gutierrez einen gestreiften Friseurkittel um.
Mit leichten Trittbewegungen bringt Simo den Stuhl mithilfe eines Pedals in die gewünschte Position. Es erinnert an einen Zahnarztbesuch – mit dem Unterschied, dass diese Behandlung weitaus weniger unangenehm vonstatten geht. Das liegt auch an der Art und Weise, wie Simo arbeitet. Er unterteilt eine Rasur in kleinste Schritte und vergleicht diese mit der ersten und zweiten Halbzeit eines Fußballspiels.
Die erste Hälfte steht dabei ganz im Zeichen eines geordneten Spielaufbaus. Zunächst rasiert er mit einer Haarmaschine hervorstehende Barthaare am Hals weg, um für eine saubere Kontur zu sorgen. Anschließend tunkt Simo Wattepads in Rosenwasser und legt sie Gutierrez unter die geschlossenen Augen. „Das dient zur Entspannung.“
Während Frank Sinatra leise im Hintergrund über New York singt, rührt der Barbier in einem kleinen Metallbecher den Rasierschaum aus Seife und heißem Wasser mit einem Rasierpinsel an. Ein entscheidendes Kriterium dabei: „Die Seife muss gut schäumen und ordentlich nass sein, damit die Rasierklinge später nicht an der Haut kleben bleibt.“
Der eingeseifte Pinsel wirbelt vorsichtig über Hals und Wangen, manche Stellen kommen mehrere Male dran. Erst jetzt zückt Simo die Rasierklinge hervor. Vorsichtig schabt er mit der einen Hand den Schaum vom Hals, während die andere die Haut straff zieht. Dadurch kann er sehen, wie die einzelnen Haare verlaufen oder ob eventuell Pickel auf der Haut sind.
Nach der ersten Rasur folgt eine entspannende Gesichtsmassage
Bis zum Adamsapfel rasiert er von unten nach oben, darüber von oben nach unten. Der restliche Schaum wird mit einem Handtuch weggetupft und die rasierten Stellen mit einem Balsam einmassiert. Der Grund: Es sind noch einzelne feine Haare zu sehen. Die werden durch den Balsam weiter eingeweicht und später wegrasiert.
In der Zwischenzeit hat Louis Armstrong Sinatra abgelöst und stimmt leise seinen Song „What a wonderful world“ an. Die passende Untermalung für die Gesichtsmassage, die auf die erste Rasur folgt. „Das ist gut für den Kreislauf und öffnet zusätzlich die Hautporen“, sagt Simo. Nicht selten komme es vor, dass Kunden spätestens jetzt wegnicken. Marco Gutierrez hält der Verlockung stand, gesteht aber: „So könnte ich jetzt eigentlich den ganzen Tag liegen bleiben.“
Dabei ist in diesem Moment gerade einmal die erste Halbzeit um. „Das war der Rahmen, nun folgt der Inhalt“, sagt Simo und holt eine Sprühflasche hervor. Es ist ein Conditioner, mit dem die langen Barthaare eingeweicht werden. Mit einer Rundbürste sowie einem Föhn wird der lange Bart anschließend glatt gebürstet und in Form gebracht.
Nach wenigen Sekunden fallen die Haare wie ein grauer Vorhang vom Kinn herunter. Die perfekte Ausgangsbasis, um dem Bart in Form zu schneiden. Simo legt sich sein Werkzeug zurecht. Im Minutentakt wechseln sich Rasierklinge, Haarmaschine und Schere ab. Nach und nach fallen die Haare zu Boden und der einst voluminöse Bart schrumpft, bekommt mehr Kontur und schmiegt sich mit der Zeit immer mehr um das Kinn herum.
Beeindruckend dabei ist, mit welcher Präzision und welchem Augenmaß Simo arbeitet. Immer wieder wechselt er die Position, damit er kein noch so hervorstehendes Härchen übersieht. Von der Prozedur bekommt Gutierrez wenig mit, aber „ich merke auch ohne hinzusehen, dass der Bart weniger wird“.
Fertig ist der 48-Jährige allerdings noch lange nicht. Aus einem Gerät, das wie eine Mikrowelle aussieht, holt Simo ein dampfendes Handtuch heraus, sprüht es mit einem Desinfektionsmittel ein, legt es anschließend auf das Gesicht und wischt es vorsichtig ab. Der leicht angefeuchtete Bart bekommt im Anschluss daran nochmals Besuch von Föhn und Rundbürste.
Erst jetzt ist der Gesichtsschmuck bereit für das Styling. Zunächst wird Bartpomade in den Bart eingearbeitet, mit einer Bürste verteilt und glattgestrichen. Es folgt Bartöl für die Geschmeidigkeit sowie Mustache-Wachs für den Schnauzbart.
Mit einem Pinsel sowie der Rasierklinge werden die allerletzten Härchen entfernt, ehe der Stuhl wieder in eine aufrechte Position gebracht wird und Gutierrez das Ergebnis im Spiegel begutachten kann. „Super“, lautet das knappe, aber mehr als zufriedene Urteil. Die Hochzeit kann kommen. Dass die Behandlung fast eine Stunde gedauert hat, macht ihm nichts aus, im Gegenteil. „In der Regel bin ich einmal pro Woche bei Simo – je nachdem, wie es meine Zeit erlaubt. Das ist jedes Mal entspannend für mich und mittlerweile weiß ich auch, wie ich mich zu bewegen habe, damit er in Ruhe arbeiten kann.“
Zwischen 18 und 20 Euro kostet eine Rasur (inklusive Haarschnitt, Massage und weiteren Extras zwischen 42 und 54 Euro). Für Gutierrez gut angelegtes Geld. Und ganz nebenbei darf er sich für eine Stunde auf eine Zeitreise begeben.