Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch. Sie sind für den International Emmy-Award in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ nominiert. Fiebern Sie dem 19. November schon entgegen?
Interview Anna Schudt: „Es lohnt sich, Heldinnen zu spielen“
Düsseldorf · Die Schauspielerin aus Düsseldorf ist für den Emmy nominiert. Im Gespräch erzählt sie, welche Rollen sie mag — und wie sie ihre Rolle als Mutter mit dem Beruf vereinbart.
Wenn Schauspielerin Anna Schudt (44) in TV-Produktionen zu sehen ist, verkörpert sie meist starke Frauen. Für die Rolle der Gaby Köster ist sie jetzt für den internationalen Emmy-Award nominiert. Mit ihrem Mann und Schauspielkollegen Moritz Führmann und drei Kindern lebt sie in Düsseldorf. In einem Interview mit dem Express hat sie über ihre Karriere gesprochen — und wie die sich mit dem Privatleben vereinbaren lässt.
Anna Schudt: Ich freue mich, überhaupt nominiert zu sein. Aber man spielt nicht auf Preise hin. Wenn es passiert, dann ist es toll, und man muss es feiern. Steuern kann man das aber nicht. In meinen 25 Jahren Schauspiel-Karriere habe ich noch keinen Preis bekommen – obwohl ich mit Sicherheit nicht schlecht war. Allein die Nominierung ist schon eine Ehre. Auch nach New York dafür zu fliegen wird super – mehr aber auch nicht.
In Ihrer Rolle spielen Sie Gaby Köster, die sich nach einem Schlaganfall zurück ins Leben kämpft – eine wahre Geschichte. Ist es schwieriger, real existierende Personen zu spielen?
Schudt: Auf jeden Fall. Das Wesen einer Person zu erfassen, die man vor sich hat, ist nicht einfach. Im konkreten Fall war der Vorteil, dass es kein Bildmaterial von der Zeit gibt. Ich stand viel mit Gaby Köster im Austausch, um ihre Aura und vor allen den rheinischen Singsang in ihrer Stimme zu begreifen. Fiktive Charaktere kann man selbst formen, das ist leichter. Aber ich liebe Herausforderungen, daher habe ich die Rolle auch gern angenommen.
Gibt es Tricks, wie man sich solche Charaktere „draufschafft“?
Schudt Ich habe wochenlang alte Programme und CDs von Gaby Köster in Dauerschleife laufen lassen. Meine Familie hat das wahnsinnig gemacht (lacht).
In Ihrer nächsten großen ZDF-Produktion „Aufbruch in die Freiheit“ spielen Sie eine Ehefrau, die sich in den 70ern heimlich für eine Abtreibung entscheidet – damals eine Straftat. Was reizt Sie an starken Frauen-Figuren?
Schudt: Es lohnt sich, Heldinnen zu spielen. Ich sehe mich als Geschichten-Erzählerin. Und Geschichten sind immer dann gut, wenn es eine Helden-Figur gibt. Das kann tragisch, lustig oder spannend sein. Diese Geschichte ist eine Alltagshandlung, wie sie eben in den 70er Jahren passiert ist – nun eben mit einer tollen Frauenfigur.
Die breite Masse kennt Sie als „Tatort“-Ermittlerin Martina Bönisch. Der Dortmunder „Tatort“ gilt längst als einer der beliebtesten der Reihe.
Schudt: Zunächst einmal find’ ich das super! Wir gehen sehr ernsthaft mit unseren Figuren um, und jede Figur hat eine eigene Kraft in sich. Auch die Rolle der Martina Bönisch hat eine eigene Geschichte zu erzählen, ganz abseits der Fälle, die zu lösen sind. Dadurch haben die Figuren eine Tiefe. Außerdem glaube ich, dass der morbide Humor auch gut funktioniert.
Ein Ende ist nicht in Sicht, oder?
Schudt: Ich wüsste zumindest von nichts, nein. Es macht großen Spaß, wir sind sehr motiviert, noch viele weitere Fälle zu drehen. Ich freu’ mich die beiden Male im Jahr, wenn Dreharbeiten für den Dortmunder „Tatort“ sind.
Jetzt haben wir in kurzer Zeit über drei vollkommen verschiedene Rollen gesprochen? Treibt Sie die Vielfalt an?
Schudt: Total! Mit jeder Rolle, die weit weg von mir selbst ist, lerne ich mehr über Menschen. Genau wie ich mit meinen drei Söhnen und meinem Mann jeden Tag mehr über Männer lerne.
Steckt man in jede Rolle auch ein Stück von sich selbst hinein?
Schudt: Ich bin der Überzeugung, dass wir alles bereits in uns tragen. Wie in einem Schubladen-Regal. Manche Schubladen sind offen, manche sind geschlossen. Und ich muss bei jeder Rolle schauen, wie ich die Schubladen entsprechend öffne und schließe. Ich bin kein spezieller Fall – mich interessiert nur, sie auch zu öffnen.
Ihr Mann Moritz Führmann ist oft im Düsseldorfer Schauspielhaus zu sehen. Beneiden Sie ihn manchmal, weil die Art der Schauspielerei dann doch näher am Publikum ist?
Schudt: Ich habe jetzt sechs Jahre kein Theater mehr gespielt und vermisse das total. Aber solange die Kinder noch so klein sind, möchte ich nur in der Gegend hier spielen. Nur: Man wollte mich bisher nicht, und zwingen kann ich niemanden. Aber die Zeit wird wieder kommen, auf meiner Prioritäten-Liste steht das Theater oben.
Die Schublade ist also noch offen?
Schudt: Die ist wahnsinnig weit offen. Mal schauen, ob mal jemand darin herumwühlt (lacht).
Sie haben drei Söhne und Ihren Mann – muss man selbst eine starke Frau sein, mit vier Männern unter einem Dach?
Schudt: Mutter sein ist eine große Herausforderung, weil man sich selbst disziplinieren muss.
Kann man als vielbeschäftigte Schauspielerin überhaupt eine klassische Mutter sein?
Schudt: Ich mache sehr viel im Raum NRW, damit ich abends nach Hause kommen kann. Meine Kinder brauchen mich. Davon abgesehen liebe ich viel Trubel um mich herum – sonst hätte ich auch keine drei Kinder und einen Mann, sondern würde allein zu Hause sitzen.
Schaut man eigentlich als Familie dann auch mal Fernsehen oder Krimis zusammen?
Schudt: Wir gucken meist gezielt Filme zusammen. Mich interessiert natürlich auch, was die Kollegen so machen. Wenn beispielsweise der Berliner „Tatort“ kommt, schalte ich immer ein – das ist sehr inspirierend.
Ist der Sonntagabend dann für den „Tatort“ geblockt?
Schudt: So gut wie gar nicht. Ich gucke selten linear Fernsehen, sondern schaue gezielt Filme in der Mediathek nach.
Was heißt „gezielt“?
Schudt: Ich hasse zum Beispiel Serien. Ich empfinde es als Unverschämtheit, dass man gezwungen wird, auch die nächste Folge noch zu schauen. Das kann man vielleicht bei sechs bis acht Folgen machen — aber es gibt Grenzen. Ehrlich, das geht nicht!
Sie sind in Konstanz geboren, leben jetzt in Düsseldorf. Wo liegen die Unterschiede?
Schudt: Als Kinder sind wir quasi im See aufgewachsen – das gibt es hier nicht. Und es ist in Düsseldorf einfach nie still. Wenn man joggen und komplett Ruhe haben möchte, muss man in die Randgebiete fahren. Aber ich liebe die Rheinländer und ihre Offenheit – und die Rheinbrücken, die Oberkassel mit der Altstadt verbinden. Düsseldorf hat einfach eine gute Lebensqualität und eine gute Atmosphäre – ich habe hier nichts auszusetzen.