Bilk/Friedrichstadt: Im „Transit-Viertel“ sind die Menschen einfach normal

Viele Zentren, aber kein Zentrum: Bilk sucht noch nach seiner Mitte. Die Arcaden könnten es werden, davor fürchten sich aber viele Händler an der Friedrichstraße.

Düsseldorf. Eine Chance für den Einzelhandel - oder sein Ende? "Es gibt extrem unterschiedliche Meinungen zu den Arcaden", sagt Heiko Beck und weist auf den Rohbau. Im September wird die Shopping Mall eröffnet und soll zusammen mit Wohnungen, einem Schwimmbad und einer Bibliothek das neue Zentrum des einwohnerstärksten Stadtteils der Landeshauptstadt bilden.

"Architektonisch ist es jedenfalls nicht schön, das ist kein Akzent wie die Gehry-Bauten im Hafen." Beck ist ein visueller Mensch, er hat Kommunikationsdesign an der FH in Düsseldorf studiert und sich vor sechs Jahren ganz bewusst für Bilk entschieden. "Hier ist alles noch ziemlich normal", findet der 34-Jährige, der seit zwei Jahren an der Karolinger Straße wohnt und arbeitet.

Früher hat er in einer Event-Agentur gejobbt, was er immer noch ab und zu macht: "Das Geld muss reichen für Miete und Essen", sagt Beck. Ist die Voraussetzung erfüllt, widmet er sich der Kunst und seinen Aktionen - er ist ein Kreativer mit Hang zum Machbaren. Wenn dabei Bilk schöner wird, ist es ihm nur recht. Zuletzt hat er dafür gesorgt, dass Dutzende von Blumenkästen am Geländer neben der Düssel angebracht werden: "Inzwischen sind das schon 40 Stück, einer muss ja anfangen mit so etwas."

Bilk liegt ihm am Herzen, mit all’ seinen Stärken und Schwächen, man merkt das. Wir gehen die Friedrichstraße Richtung Süden, vorbei an den Arcaden, links und rechts brausen Autos, in der Mitte bimmelt die Straßenbahn. "Klar ist es hier laut, bei mir kommen täglich mindestens zehn Rettungswagen vorbei, die zur Uni-Klinik düsen."

Aber Bilk ist auch ganz ruhig, nur ein paar Meter weiter. Sehr ruhig sogar. Die Düssel, zwischen Aachener und Merowinger Straße, plätschert leise, gesäumt von Platanen und anderen Bäumen. "Hier müsste man mal mit Nachbarn ein Picknick machen, bunte Lampions in die Äste hängen, ein paar Bierbänke aufstellen": Heiko Beck ist in seinem Element, überlegt, plant, träumt - alles für Bilk.

"Die Leute sind offen und natürlich hier, es bewegt sich was. Inzwischen kommen Freunde sogar abends hierher, die gehen nicht mehr in die Altstadt oder nach Flingern." Eine Reihe kleiner Bistro-Kneipen wie Ugly Deluxe, Miss Moneypenny oder die Bar Alexandra versorgt nicht nur das studentisch geprägte Publikum.

Die Brunnenstraße mit dem Programmkino Metropol, einer Videothek mit Qualitäts-Filmen, dem Café Milchschaum, einer kleinen Galerie: "Die Straße hat Potenzial", sagt der 34-Jährige, "das geht in die richtige Richtung."

Was ihm jedoch Sorgen bereitet, ist der Leerstand: "Das ist ein Verlust an Kommunikation und Lebensqualität." Sein Konzept (Installationen in leeren Ladenlokalen, um zu zeigen, dass sie "gefüllt" besser aussehen) überzeugte Bezirksvorsteher Figge und die IHK, aber nicht die Inhaber: "Da gab’s keine Reaktion, das war schon sehr frustrierend."

Deswegen geht er auf die Straße, verkleidet Bushaltestellen und Container - kurzfristig und künstlerisch. Sein Ziel: Die Menschen sollen ihre Umgebung bewusster wahrnehmen. Inzwischen ist er so bekannt, dass ältere Damen ihm schon mal ein Stück Kuchen vorbeibringen.

Bilk hat viele Zentren, aber kein Zentrum. Karolinger Platz und Aachener Straße bieten alles, was es an Einkaufsmöglichkeiten so gibt, die Mieten sind noch erschwinglich, aber dem Stadtteil fehlt es an Profil. "Das ist ein Transit-Viertel, viele fahren durch auf dem Weg zur Arbeit und zurück, es ist ein bisschen verschlafen."

Aber das sei auch eine Chance, findet Beck. So könne man daran arbeiten, dass der Stadtteil schärfer wahrgenommen werde. "Düsseldorf zurück an die Düssel", fordert er und meint das nur ein bisschen ironisch. Denn es gibt da ein Areal, dass er sich als Zentrum vorstellen könnte: das ehemalige Auto-Becker-Gelände, 1700 Quadratmeter zwischen Merowinger-, Suitbertus-, Brunnen- und Karolinger Straße.

Es steht seit Jahren leer, was hier passiert, ist unklar. Heiko Beck jedenfalls kann sich Künstler-Ateliers vorstellen, ein Begegnungszentrum für die Anwohner, Läden - ein richtiges Bilker Zentrum. Dafür kämpft er weiter: "Man muss die innovativen und kreativen Kräfte bündeln."

Das täte auch Friedrichstadt ganz gut, dem benachbarten Viertel. Hier ist zu besichtigen, was "verdichtetes Wohnen" heißt: 18000Menschen auf einem Quadratkilometer, einzig nennenswerte Grünfläche ist der Fürstenplatz. Doch die Verkehrsanbindungen sind 1a, die Infrastruktur ist top, die Friedrichstraße hat vom Bio-Laden bis zum Stern-Verlag alles, was der Mensch so braucht.

Noch. Denn viele Händler fürchten sich vor den Arcaden, die ihnen Kunden wegnehmen könnten. Das Zentrum des Viertels ist der Fürstenplatz, umgeben von kleinen Straßen mit schöner, oft sanierter Altbau-Architektur. Nicht nur sonntags ist der Platz proppenvoll, wenn Familien auch aus Oberbilk zum Plauschen und Spielen herkommen.

Kinder und Jugendliche bevölkern den mit einem hohen Zaun abgetrennten Bereich für Fuß- und Basketballer von morgens bis abends - nur nachts wird es still. Das ist die Zeit, wenn es in den Bars und Etablissements rund um die Mintropstraße rundgeht. Ja, das Rotlichviertel gehört auch zur "verruchten" Friedrichstadt.