Christian Erdmann: Wenn nicht Schauspieler, dann Schäfer
Christian Erdmann steht in der Premiere „Stützen der Gesellschaft“ auf der Bühne. Ein Porträt.
Düsseldorf. Konsul Karsten Bernick ist einer der Ersten in einer kleinen norwegischen Fischerstadt. Reich, erfolgreich und Oberhaupt einer scheinbar glücklichen Familie. Er gilt als eine der „Stützen der Gesellschaft“, will aber weiter, hoch hinaus. Doch plötzlich holt ihn seine Vergangenheit ein, seine Jugendsünden drohen sein Glück und das Lügengebäude, das er seit Jahrzehnten aufgebaut hat, zu zerstören. Das Drama von Henrik Ibsen, 1877 uraufgeführt, steht ab 9. Dezember auf dem Spielplan im Central, der Schauspielhaus-Dependance am Hauptbahnhof.
In der Hauptrolle: Christian Erdmann, der bereits in Titelrollen in Kleists „Michael Kohlhaas“ und Houellebecqs „Unterwerfung“ zu erleben war. Bekannt ist der sympathische, 1,90 Meter große Mime mit ruhiger, wohltemperierter Stimme einem breiten Publikum durch zahlreiche Fernsehrollen — etwa als Kommissar Weller in „Ostfriesenkiller“, der ersten Folge der Reihe von Ostfriesland-Krimis, in der er neben Hauptkommissarin Christiane Paul spielt.
Seit Wochen bereitet sich der 42-jährige Bühnenkünstler (liiert mit Schauspielerin Anya Fischer) mit Ensemble und Regisseur Tilmann Köhler nun auf die Premiere vor. Die Entscheidung, die Rolle anzunehmen, fiel bewusst. Denn der in TV und Film erfolgreiche Erdmann — er, seine Frau und seine zwei Kinder kamen mit Intendant Wilfried Schulz von Hannover und Dresden vor gut einem Jahr nach Düsseldorf — kann und will es sich leisten, wählerisch zu sein. Er habe gelernt, auch mal Nein zu sagen. Denn: „Ich stelle meine Persönlichkeit der Rolle zur Verfügung und erzähle dann von mir selbst“, sagt er im WZ-Gespräch. „Ich frage mich: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich an der Stelle des Konsuls wäre.“ Das sei auch als TV-Kommissar so. „Ich mag mich nicht mehr verstellen wie früher“, fügt er hinzu.
Früher. Damit meint der 1975 in Thüringen (Rudolstadt) geborene Darsteller die erste Zeit nach seiner Ausbildung in der Film- und Fernsehhochschule in Babelsberg/Potsdam. Zuerst habe er die Rollen vor sich hergetragen. „Es ging um virtuoses Entertainment und um Pointen.“ Doch die Begegnung mit Regisseur Jürgen Gosch (2009 verstorben) habe ihn verändert. „Gosch hat meine persönliche Beteiligung eingefordert. Das irritierte mich, später war ich begeistert.“ Der Erfolg stellte sich ein, nicht nur in Theatern. Heute, mit über 40, erhalte er zahlreiche Angebote von öffentlich-rechtlichen Sendern. „Es läuft erstaunlich gut“, freut er sich.
Vor vielen Jahren verbannte er, der gerne in den Bergen klettert und körperliche Herausforderungen liebt, den Fernseher aus seiner Wohnung. Der sei ein zu großer Zeitfresser. „Das wird mir immer bewusst, wenn ich in Hotels übernachte und automatisch das Gerät einschalte.“
Thema Klettern. „Ich muss mich auf schwierige Wege begeben, damit mein Kopf frei wird.“ Konzentration sei dabei lebensnotwendig. „Einen Fehltritt verkraftet die Natur nicht.“
Die Intensität seines Spiels auch vor der Kamera begeistert viele. So wurde Erdmann in diesem Jahr für den Grimme-Preis nominiert, für die Hauptrolle in „Nur eine Handvoll Leben“. Ein Fernsehfilm, in dem es um Schwangerschaftsabbruch geht. Ein Thema, das ihn immer wieder beschäftigt. „Probleme unserer Gesellschaft betreffen mich ebenfalls. Und wenn es darum geht, nehme ich Rollen gerne an.“ Das klingt ehrlich aus dem Munde eines Mannes, der nach dem Abitur eigentlich Sozialpädagoge werden wollte. Und sich dann doch in Babelsberg bewarb.
Der Wechsel von Dresden nach Düsseldorf fiel ihm und seiner Familie 2016 schwer. Entscheidend war, dass der Intendant nach Düsseldorf ging. „Die freundschaftliche Arbeitsbeziehung zu Wilfried Schulz ist sehr wichtig für mich. Er hat mir immer die richtigen Aufgaben und Regisseure gegeben.“ Die Arbeit mit ihnen sei für ihn das Wichtigste. Deshalb denke er auch nie über Traumrollen nach.
Allmählich habe er sich am Rhein eingelebt, die Erdmanns beziehen im Januar eine Wohnung in Oberkassel. Außerdem sei die Nähe zu den Fernsehstudios in Köln für ihn ein großer Vorteil. Was wäre er heute, wenn er nicht Schauspieler geworden wäre? „Am liebsten Schäfer oder Landwirt.“