Ausstellung „Guten Aussichten“: Die Zukunft beginnt beim eigenen Ich

Die Alternative zu Böhmermann im NRW-Forum sind die „Guten Aussichten“ junger Fotografen.

Foto: Gute Aussichten

Düsseldorf. Im NRW-Forum geht es Rechterhand zu Jan Böhmermann und Linkerhand zu „Gute Aussichten“, einer Ausstellung junger Studenten und Absolventen der Fotografie. Diese 30-Jährigen pfeifen auf die Attitüde eines Superstars. Ihre Bilder kommen leise und konzentriert daher und bilden eine wohltuende Balance zum großen Show-Geschäft. Hier geht es um das Unaussprechliche im Tod, um die Spuren zurück in die eigene Vergangenheit der jungen Kreativen.

Foto: Gute Aussichten

Stephan Bögel etwa war 13 Jahre alt, als sich der Vater umbrachte. 20 Jahre sind seitdem vergangen, dass der Sohn das Schweigen brechen wollte, in Polizeiakten stöberte, durch Wald und Wiesen streifte, die Garage aufnahm und scheinbar unauffällige Texte notierte, ja sogar das Bild des Vaters mit dem eigenen Selbst verglicht und nun den Betrachter im Unklaren lässt, ob die Geschichte wahr oder bloß ausgedacht ist.

Alexandra Polina stammt aus Usbekistan, lebt seit 12 Jahren in Deutschland und setzt auf ihren Bildern Deutsche mit Migrationshintergrund in Szene. Sie erklärt: „Ich habe ja Glück, denn meine Haut ist weiß. Ich werde nicht als Fremde wahrgenommen. Aber es gibt viele Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, aber wegen ihrer Hautfarbe als Fremde gelten. Ich habe sie auf der Straße angesprochen und gefragt, ob sie hier zur Welt gekommen sind. Wenn ja, habe ich sie eingeladen und ihre Geschichten ins Visuelle übersetzt.“ Eine Migrantin im Afrika-Look steht nun vor einer farbigen Tapete, aber in der realen Umgebung ihrer Wohnung. Es gehe, sagt die Künstlerin, um Klischeevorstellungen.

Es ist ein spannendes Erlebnis, durch diese eher stille Ausstellung zu gehen, denn in der Regel geht es hier um menschliche Geschichten oder Schicksale, um die Reflexion des Ich im Anderen, um das Gefühl der Fremde in der ersten oder zweiten Heimat. Ricardo Nunes, ein in Deutschland geborener Sohn portugiesischer Eltern, empfindet inzwischen die Heimat seiner Eltern als fremd. Seine Aufnahmen von Portugal gelten keinen touristischen Attraktionen, sondern dem lähmenden Grau zwischen Häuserschluchten. So sieht er sich eher als kleine Spielfigur im trostlosen Häusermeer.

Rie Yamada, eine Japanerin in Berlin, konstruiert japanische und deutsche Familiengeschichten aus alten Familienalben, die sie auf Trödelmärkten kauft. Es ist die Ausbeute der Kleinbildkamera bei Ausflügen, Hochzeiten und sonstigen Familien-Ereignissen. Der Pfiff liegt darin, dass die Künstlerin in die Rolle der abgebildeten Väter, Mütter oder Kinder schlüpft und deren Familiengeschichten konstruiert. Sie inszeniert sich als Alter Ego im Setting mit Perücke und Gesichtsmaske und nimmt sich mit dem Selbstauslöser auf. Ihre nächste Serie steht schon fest. Sie gilt einer gemieteten Familie, die in Japan üblich ist, als Weiterentwicklung des Callgirls also.

Alba Frenzel hingegen bricht aus, verfremdet die Wirklichkeit, arbeitet mit dem kameralosen Fotogramm. Das Ei, als Eigelb und Eiweiß, als Spiegelei, Rührei oder als Eihaut, legt sie direkt aufs Fotopapier oder zwischen Glasplatten, um die verschiedenen Aggregatzustände im Labor abzuziehen. Die Ergebnisse wirken wie abstrakte Kunst, sehr frei, sehr befremdend in den Farben. Ein alltäglicher Gegenstand eröffnet eine Vielzahl von Assoziationen.

Laura Giesdorf widmet sich dem eigenen Gesicht, weil es als Modell am preiswertesten ist. Sie demonstriert in einem faszinierenden Videofilm den Schönheitswahn, wie ihn die Kosmetikindustrie propagiert, in fast schon obszönen Bildern, allesamt in slow Motion.