Interview Dietlind Falk: „Mich interessieren Neinsager, Loser und Verweigerer“

Düsseldorf · In ihrem Debütroman erzählt die Autorin Dietlind Falk von Außenseitern, Messietum. Donnerstag liest sie in der Brause.

Die Autorin Dietlind Falk.

Foto: Jeronimo Arteaga-Silva

Dietlind Falk (33) lebt und arbeitet als Schriftstellerin und Übersetzerin in Düsseldorf. In ihrem Debütroman „Das Letzte“ schildert sie die Geschichte einer namenlosen Ich-Erzählerin, die in einer anarchistischen WG wohnt und eine Psychotherapie unternimmt. Kein Wunder, denn sie hat ein schweres Päckchen zu tragen: Der Vater war Alkoholiker, die Mutter kämpft mit dem Messie-Syndrom. Doch auch die Liebe kommt ins Spiel. Am Donnerstag liest Dietlind Falk im Kulturverein „Brause“, dessen Heimat in einer alten Tankstelle in zwei Jahren abgerissen wird. Wir sprachen mit der Autorin über ihr Buch und den Verlust von Subkultur in Düsseldorf.

Frau Falk, in Ihrem Buch geht es um eine Tochter, die sich um die Messie-Wohnung ihrer Mutter kümmern muss. Wie kamen Sie auf die Idee zu dieser Geschichte?

Dietlind Falk: Die Mutter war am Anfang eher eine Nebenfigur, für die ich mir ausgedacht hatte, dass sie ein Messie sein könnte. Als ich den Roman mit 23 begonnen habe, hatte ich keinen konkreten Plan für das Buch, ich habe einfach geschrieben, was mir in den Kopf kam. Irgendwann mit der Zeit habe ich dann gemerkt, dass die Mutter die interessanteste Figur ist, und je mehr ich mich mit dem Messie-Thema beschäftigt habe, desto zentraler wurde das Thema im Roman.

Messies werden gemeinhin als gesellschaftliche Außenseiter, asoziale Menschen abgestempelt, gerade im Privat-TV. Spielt der Titel Ihres Romans „Das Letzte“ darauf an?

Falk: Ja klar. Ich habe mir diese ganzen Sendungen natürlich angesehen, und besonders perfide daran ist, dass sie einzig und allein dazu dienen, Menschen vorzuführen. Der Reiz liegt darin, sich als Zuschauer überlegen und normal zu fühlen, während das Leben anderer Menschen zur Schau gestellt wird wie im Zirkus, und das auch noch fürs TV, also gestellt. Und bei den Messie-Sendungen ist dann noch der besondere Clou, dass die „Helfer“ natürlich „endlich mal aufräumen“ und die Wohnungen dann nach sechs Wochen wieder aussehen wie vorher, und man kann sich so richtig schön über den undankbaren Messie aufregen, voll das Letzte eben.

Menschen mit Messie-Syndrom kriegen aber ihr Leben ja oft trotzdem geregelt, gehen ganz normal ihren Berufen nach. Wie erklären Sie sich, dass Messies von der Gesellschaft so abschätzig betrachtet werden?

Falk: Das Messie-Syndrom ist unglaublich vielschichtig und betrifft unfassbar viele Menschen auf unterschiedliche Art und Weise. Manche Messies sammeln zwar etwas obsessiv und profitieren von Hilfsangeboten, haben aber keinen Leidensdruck dabei, und würden sich vermutlich (zu Recht) verletzt fühlen, wenn man sie als „krank“ bezeichnen würde.

In ihrer WG lebt die Ich-Erzählerin außerdem mit Aussteigern, Neurotikern und Kiffern zusammen. Haben Sie ein Faible für soziale Randfiguren?

Falk: Absolut. Mich interessieren Neinsager und Loser und Leistungsverweigerer mehr als Gewinnertypen. Die haben auch die besseren Storys zu erzählen, vielleicht ist das also als Autorin ganz normal.

Ihre Ich-Erzählerin macht auch eine Psychotherapie. Ein Thema, das immer ja noch tabuisiert wird. Menschen, die zum Psychologen gehen, werden oft so behandelt, als würden sie nicht ganz sauber ticken. Aber hat letztlich nicht jeder Mensch einen „Knacks“, den er aufarbeiten muss?

Falk: Definitiv, jeder sollte an gewissen Punkten im Leben eine Therapie machen, und es ist wirklich bescheuert und gefährlich, dass daraus immer noch eine so große Sache gemacht wird. Wenn ich mir einen Arm breche, gehe ich auch zum Arzt. Der Therapeut im Buch kommt leider sehr schlecht weg, das soll aber in keinster Weise eine allgemeine Aussage sein.

In zwei Jahren muss die Brause aus der ehemaligen Tankstelle raus. Sie wird abgerissen, auf dem Grundstück werden Wohnungen gebaut. Wie beurteilen Sie das Aus dieser Kulturstätte?

Falk: Das Schöne ist ja, dass jeder mitmachen kann, und das für kleinstes Geld. Die Brause ist ein absolutes Schmuckstück, sie bringt Kulturinteressierte jedweder Couleur zusammen, und das an einem überaus charmanten, zentral gelegenen Ort. Das Tragische ist in meinen Augen, dass dort nicht bloß „Wohnraum“ entsteht, sondern eben der ewig selbe Wohnraum, der gerade überall in Düsseldorf aus dem Boden schießt: Luxuriös, in bester Lage, mit viel Raum für Rendite. Ich frage mich immer, wer sich diese vielen Luxuswohnungen leisten kann – viele Künstler werden dort jedenfalls vermutlich nicht wohnen.

Dietlind Falk liest am Donnerstagabend um 20 Uhr in der Brause. Adresse: Bilker Allee 233. Der Eintritt ist frei. Ihr Roman „Das Letzte“ ist im Albino Verlag erschienen, er kostet 16,99 Euro.