Dreigroschenoper als Historien-Comic

Eine neue Inszenierung von Brechts Werk feierte Premiere. Die Schauspieler agierten lebendig und mit Freude am Karikaturhaften.

Foto: Sandra Then

Zerlumptes Volk bewegt sich über die Bühne. Die weiß geschminkten Figuren tragen abgerissene, aber teils extravagante Damen- und Herrenbekleidung des späten 19. oder frühen 20. Jahrhunderts. Stilistisch ganz eindeutig zuzuordnen sind die Kostüme indes nicht. Manche Hose und manches Jäckchen könnte aus den bunten 70er-Jahren stammen. Kulissen gibt es kaum. Die Wände wirken puristisch modern und mehr wie eine neutrale Projektionsfläche. Prägendes Element ist ein großer, halb im Boden versenkter Metallkäfig, in dem ein kleines Orchester sitzt.

Dort spielt Kurt Weills Musik zu Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“. Zwei Lampen der 20er-Jahre verbreiten im Orchesterkäfig ein wenig die Stimmung der Zeit Weills und Brechts. Ansonsten präsentiert sich die von Regisseur Andreas Kriegenburg gestaltete Bühne karg. Umso bunter, fast schrill kommen die Darsteller daher. Nicht nur Schminke und Kleidung (Kostüme: Andrea Schraad) sind oft kurios, auch die Deklamation der Schauspieler wurde hier auf groteske Überzeichnung getrimmt.

Manche Szenen werden so gesprochen, als sollten die Figuren Comicfiguren gleichen. Gleichzeitig spielt der Regisseur mit Moden des Sprechens aus den 20er Jahren. Dazu gehört ein rollendes „R“ ebenso wie eine militärische Zackigkeit oder bebendes Bühnen-Pathos. Rainer Philippi als Bettler-König Peachum redet mal ein bisschen wie Gustaf Gründgens, erinnert aber auch zuweilen an Bruno Ganz als Adolf Hitler im Film „Der Untergang“.

Unterdessen besitzt die Inszenierung zwei Ebenen: die der Historien-Karikatur und eine der realistischen Reflexion. Denn allenthalben fallen die Figuren aus der Rolle und reflektieren über Sinn und Unsinn des theatralischen Tuns. Man nimmt Brechts Stück und seine darin enthaltene Gesellschaftskritik zwar größtenteils ernst, lüftet aber immer mal wieder den Bühnenschleier, um die Luft heutigen Wissens einströmen zu lassen. Das gelingt stellenweise gut und gewinnbringend, gerät aber auch zu oft albern und dramaturgisch unfruchtbar.

Dass Peachum kurzfristig rheinisches Platt spricht wie in der Bütt und darauf ein Karnevals-Tusch erklingt, mag Hoppeditz’ Erwachen am 11. 11. (Tag der Premiere) geschuldet sein. Die Summe der Regieeinfälle zieht den Abend jedenfalls ziemlich in die Länge: Er dauert mehr als drei Stunden.

Zur Stärke der Inszenierung gehört, dass sie die Handlung rund um den Konflikt zwischen der Bettler-Dynastie Peachums und den Straßenbanditen in der Bande von Macheat - „Mackie Messer“ (Serkan Kaya) - verständlich erzählt und auch einen Hauch der Entstehungszeit-Atmosphäre produziert. Eine Szene findet beispielsweise in einem Scheinwerfer-Flimmern statt, in dem sich die Darsteller etwas schneller bewegen, so dass das Ganze den Anschein eines uralten Schwarzweißfilms bekommt.

Die Schauspieler agieren derweil sehr lebendig und mit Freude am Karikaturhaften. Nun wird ja auch viel gesungen — mal mehr, mal weniger gekonnt. Vokale Stärke besitzt vor allem Lou Strenger als Polly, Tochter Peachums und seiner gehässigen Gattin (Claudia Hübbecker).

Pollys Lied vom Schiff mit acht Segeln und 50 Kanonen gehört zu den Highlights der Produktion — und des Stücks. Im Musikkäfig tut die Instrumentengruppe um den Pianisten Franz Leander Klee souverän ihren Dienst.